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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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bewirkte, daß er dem Sohn die Taufe vorenthielt, sie hat seine innere Stimme in Lüge verwandelt. Aber sie soll ihn nicht länger behexen. Mag sie sich stumm winden und drehen und schmerzhafte Gesichter schneiden: er wird den Jehuda zwingen, den Sohn herbeizuschaffen, er wird den Knaben taufen, und wenn dann Raquel nicht länger in der Galiana bleiben will, die Tür steht weit offen, Alafia, Heil, Segen.
    Während sich Alfonso auf solche Art mit Raquel auseinandersetzte, war Don Rodrigue auf dem Weg, ihm die finstere Botschaft zu bringen.
    Es war nach dem Untergang des Jehuda und der Raquel eine sonderbare Lähmung über Rodrigue gekommen. Nun war ihm alles eingestürzt, woran er in dieser Welt hing, das Reich brach zusammen, die lieben Freunde waren grausig ermordet worden, und er selber, Rodrigue, trug mit die Schuld, weil er den König so lang auf dem übeln Weg hatte gehen lassen. Das Gefühl seines Versagens, seiner Nichtigkeit erdrückte ihn.
    In seinem Innern überhäufte er Don Alfonso, dessen Leichtfertigkeit dem ganzen Lande Unheil brachte und Unheil einem jeden, der ihm nahekam, mit bitterer Schelte. Er wollte ihn nicht mehr sehen, wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Aber er liebte den Unseligen noch immer, und Pflicht und Mitleid trieben ihn, die grausige Nachricht selber zu überbringen. Vielleicht wird das Übermaß des Unglücks den Mann lehren, was Reue ist, und Rodrigue wollte ihn nicht allein lassen in der Stunde der Verzweiflung.
    Ein abgezehrter, fieberischer Alfonso trat ihm entgegen. Wies ihn, da er sich nach seiner Verwundung erkundigte, ungeduldig ab. Stand vor ihm, gereizt, finster, höhnisch, und forderte ihn heraus: »Du hast recht gehabt, mein weiser Vater und Freund. Mein Heer ist vernichtet, mein Reich eingestürzt. Ich habe die vier Reiter der Apokalypse übers Land gebracht, genau wie du mir’s vorausgesagt hast. Das zu hören, bist du doch da. Nun also, ich geb dir’s zu. Bist du zufrieden?«
    Rodrigue, gegen seinen Willen, spürte ein heißes Erbarmen mit dem Mann, der ihm da krank, zerfetzt und zerlumpt an Seele und Ansehen gegenüberstand. Aber er durfte nicht schwach werden, er mußte rütteln an der Seele dieses Alfonso, der, Gottes hadernder, rebellischer Vasall, noch immer nicht wußte, was Schuld und was Reue war. Rodrigue sagte: »Es hat sich Schlimmes ereignet in Toledo. Dein Volk hat Unschuldige haftbar gemacht für deine Niederlage, und niemand war da, die Unschuldigen zu schützen.« Und da ihn der König ohne Verständnis anstarrte, sagte er ihm ins Gesicht: »Sie haben Doña Raquel und Don Jehuda umgebracht.«
    Was das Unglück nicht und nicht der Verrat, was die große Niederlage nicht hatte bewirken können, bewirkte diese Nachricht: Don Alfonso schrie. Er schrie auf, kurz und schrecklich. Dann fiel er um.
    Eine große Welle Freundschaft schwemmte alle andern Überlegungen Rodrigues fort, er liebte ihn wie eh und je. Erschreckt bemühte er sich um ihn und rief nach dem Arzt.
    Alfonso, nach einer langen Weile, erwachte aus der Ohnmacht, schaute sich um, fand sich zurecht, sagte: »Es ist nichts, es ist diese dumme Wunde.« Er hatte auch noch nichts gegessen an diesem Tag. In hastigen Schlucken trank er die Brühe, die man ihm brachte, und trieb den Arzt, der den Verband erneuerte, zur Eile. Dann schickte er alle fort und hielt nur Rodrigue zurück.
    »Verzeih, mein Vater und Freund«, sagte er. »Ich sollte mich schämen, daß ich mich so gehenließ.« Und böse fuhr er fort: »Nachdem ich das Reich zerstört habe, sollte es mir auf einen Mann und eine Frau mehr nicht ankommen.« Und: »Ich hätte die beiden ohnedies weggeschickt«, sagte er grimmig. Aber sogleich widerrief er: »Niemals, niemals hätte ich Raquel weggeschickt! Und ich schäme mich auch nicht!« Er stöhnte, wütete, knirschte. »Es tut unchristlich weh. Ich sag es dir, Rodrigue, mein Freund: ich habe sie geliebt. Du kannst das nicht verstehen, du weißt nicht, was das ist, niemand weiß es. Ich selber hab es nicht gewußt, bevor sie mir in denWeg kam. Ich habe sie mehr geliebt als Leonor, mehr als meine Kinder, mehr als mein Reich, mehr als Christus, mehr als alles. Vergiß es, Priester, vergiß es gleich, aber einmal muß es heraus, einmal muß ich es sagen, dir muß ich es sagen: ich hab sie mehr geliebt als meine unsterbliche Seele.«
    Er preßte die Zähne zusammen, die rasenden Worte zurückzuhalten, die ihm die Brust füllten. Hockte nieder, erschöpft. Rodrigue sah bestürzt, wie sich

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