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Die Juedin von Toledo

Die Juedin von Toledo

Titel: Die Juedin von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Gutierre.
    Rodrigue, in jäher Angst, fragte: »Was ist es mit Don Jehuda? Ist dem Escrivano was geschehen?« Der Castro hob die Schultern, ausdrucksvoll, verächtlich. »Hier jedenfalls nicht«, antwortete er. »Der Hund hat sich verdrückt, scheintes.« Rodrigue atmete auf. Es war, wie er vermutet hatte: Don Jehuda hatte sich in Sicherheit gebracht.
    Er raffte sich zusammen. »Du bist Kreuzritter«, sagte er. »Ich ermahne dich im Namen der Kirche, dem schändlichen Unfug Einhalt zu tun.« Der Castro schaute um sich und sah, daß nicht mehr viel da war, was hätte zerstört werden können. »Es steht dem Priester an, milde zu sein«, sagte er mit gutartigem Spott und gab seinen Leuten Befehl, die Gäste aus dem Haus zu treiben. Es geschah.
    Don Gutierre verabschiedete sich höflich von dem Domherrn, beschaute noch einmal das getane Werk und ging, voll der freudigen Erwartung, diese Stätte heidnischer Üppigkeit ins Castillo de Castro zurückzuverwandeln.
    Rodrigue blieb zurück in dem verwüsteten Haus. Er hörte, wie die letzten abzogen, wie das große Tor mit dumpfem Lärm geschlossen wurde. Fast quälend drang die plötzliche Stille auf ihn ein. Er hockte nieder inmitten der Trümmer und Scherben, voll schwerer, schmerzhafter Müdigkeit. Hockte lange. Stand auf, schleppte sich durch die vertrauten Räume. Risse, Löcher, Trümmer starrten ihn an, von allen Seiten. Er ging weiter herum in dem öden Haus; er mühte sich, leise aufzutreten, er wußte nicht, warum. Er klaubte Scherben vom Boden, Stücke von Möbeln, Stoffen, beschaute sie, schüttelte den Kopf. Verschmutzt, zerrissen lag da ein Buch. Er nahm es auf, versuchte die Blätter zu glätten, die zerrissenen Seiten zusammenzustücken, er las mechanisch, es war die »Ethik« des Aristoteles.
    Er kam in die Rundhalle des Musa. Hier waren die Polster gewesen, in denen der Freund so oft behaglich zurückgelehnt gesessen hatte, mit ihm schwatzend, und was war aus Musa geworden? Da war das Schreibpult gestanden, von dem aus er so gerne über die Schulter seine klugen, milden, spöttischen Sätze gesprochen hatte. Es war zerhackt; einer mußte sich die Mühe gemacht haben, das feste, edle Holz mit der Axt zu zerhacken. Von den farbigen Buchstaben der Sprüche an denWänden waren viele zerschlagen und heruntergefallen. Mechanisch starrte er auf den Satz: »Nicht besser ist der Mensch als das Vieh.« Nahm wahr, daß von dem Worte »Habehemah – Das Vieh« die Buchstaben »Bet« und »Mem« ausgeschlagen waren, die drei Buchstaben »He« waren merkwürdigerweise stehengeblieben.
    Rodrigue kauerte sich wieder auf den Boden, schloß die Augen. Von außen herein klang das gleichmäßige Plätschern der Fontäne.
    Täuschte er sich da, oder schlurften vorsichtige Schritte durch den Garten? Er hörte recht. Und auf einmal war vor ihm ein liebes, häßliches, gescheites, wohlvertrautes Gesicht, über allem Kummer schon wieder leise spöttisch, und: »Es fügt sich trefflich«, sagte die ruhige, marklose Stimme des Musa, »daß nach so vielen lauten Besuchern nur du geblieben bist, mein stiller, hochwürdiger Freund.« Der beglückte Rodrigue war zu erregt, als daß er hätte sprechen können; er nahm die Hand des andern und tätschelte sie. »Ich bin zu spät gekommen«, sagte er schließlich. »Auch wäre ich wohl nicht geschickt genug gewesen, den Aufruhr zu stillen. Aber du lebst!« sagte er; niemals hätte Musa geglaubt, daß die Stimme des andern so warm klingen könnte. Noch immer hielt Rodrigue die Hand des Freundes, sie schauten einander an, lächelten, lachten.
    Später fragte der Domherr nach Jehuda. Als Musa ihm mitteilte, er sei bei seiner Tochter in der Galiana, atmete Rodrigue auf. »Im Hause des Königs ist er wohl sicher«, meinte er. »Trotzdem, vorsichtshalber, geh ich noch heute zu Doña Leonor und verlange eine starke Wache für die Galiana. Und jetzt, mein Musa«, sagte er ungewöhnlich befehlerisch, »kommst du mit mir, und bis die Stadt sich beruhigt hat, lebst du in meinem Hause.« – »Ich hätte schon früher zu dir kommen sollen«, erwiderte Musa, »aber ich sagte mir: in dieser Zeit ist ein alter, ketzerischer Moslem kein bequemer Gast.« – »Entschuldige, mein weiser Freund«, entgegnete Rodrigue, »dieses ist die erste törichte Erwägung, die ich dich habe anstellen hören. Gehen wir«, forderte er ihn auf.
    Doch Musa bat, noch eine kurze Weile zu verziehen. »Ich muß noch meine Chronik holen und ein paar Bücher«, erklärte er. Voll

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