Die Juedin von Toledo
Castillo nimmt er sich auch noch! Als Alboroque!« Alboroque nannte man das übliche Höflichkeitsgeschenk, das den Abschluß eines Vertrags begleitete. »Nein, Herr König«, antwortete Don Manrique. »Verzeih, daß ich vergaß, dir das zu sagen. Er will sich das Castillo nicht schenken lassen. Er will es kaufen. Für tausend Goldmaravedí.«
Das war eine ungeheure Summe, viel mehr, als das alte Gerümpel wert war. Solche »Largesse«, solche Großzügigkeit stand einem großen Herrn an; aber wenn ein Kaufmann Ibrahim aus Sevilla sie übte, war es dann nicht eine Frechheit? Alfonso erhob sich, ging auf und ab.
Doña Leonor betrachtete ihn. Dieser Ibrahim wird seine Mühe haben, es ihrem Alfonso recht zu machen. Der war nun einmal ein Ritter, ein kastilischer Ritter. Wie gut er aussah, ein richtiger Mann und trotz seiner dreißig Jahre noch ein Knabe. Leonor hatte einen Teil ihrer Kindheit im Schlosse Domfront verbracht; dort stand in Holz geschnitzt ein großer, junger, dräuender heiliger Georg, der das Schloß machtvoll beschützte, und an sein Antlitz erinnerte sie immerwieder das kühne, entschiedene, etwas hagere Gesicht ihres Alfonso. Sie liebte alles an ihm, das rotblonde Haar, den kurzen Vollbart, der unmittelbar um die Lippen wegrasiert war, so daß der lange, schmale Mund deutlich hervortrat. Am meisten aber liebte sie seine grauen, heftigen Augen, von denen, wenn ihn etwas bewegte, ein heller, gewitteriger Schein ausging. Auch jetzt war es so.
»Er bittet nur um eine Vergünstigung«, fuhr Manrique fort. »Er bittet, vor deiner Majestät erscheinen zu dürfen und Dokumente und Unterschrift von dir selber zu erhalten. Sein Emir«, erläuterte Manrique, »hat ihn zum Ritter gemacht, und er hält auf Würde. Erinnere dich, Don Alfonso, daß in den Ländern der Ungläubigen der Kaufmann an Ansehen dem Krieger nicht nachsteht, da ihr Prophet selber ein Kaufmann war.«
Alfonso lachte, plötzlich gut gelaunt; wenn er lachte, sah er strahlend jungenhaft aus. »Aber hebräisch muß ich nicht mit ihm reden?« rief er.
»Sein Latein ist gut verständlich«, antwortete sachlich Manrique. »Auch Kastilisch spricht er zur Genüge.«
Don Alfonso, wieder ohne Übergang, wurde ernst. »Ich habe nichts gegen einen jüdischen Alfakim«, sagte er, »aber euern Juden zum Escrivano Mayor zu machen – daß mir das widerstrebt, müßt ihr doch begreifen.«
Don Manrique führte von neuem aus, was er dem König in den letzten Wochen mehrere Male dargelegt hatte: »Wir haben ein Jahrhundert hindurch Krieg führen und erobern müssen, wir haben keine Zeit gehabt, uns um die Wirtschaft zu kümmern. Die Moslems hatten Zeit. Wenn wir gegen sie aufkommen wollen, dann brauchen wir die Klugheit der Juden, ihre Sprachgewandtheit, ihre Geschäftsbeziehungen. Es war ein Glück für die christlichen Fürsten, daß die Moslems des Andalús ihre Juden vertrieben haben. Jetzt hat dein Onkel von Aragon seinen Don Joseph Ibn Esra und der König von Navarra seinen Ben Serach.« – »Auch mein Vater«, ergänzte Doña Leonor, »hat seinen Aaron aus Lincoln. Ersperrt ihn manchmal ein, aber er holt ihn immer wieder heraus und gibt ihm Land und Ehren.« Und Don Manrique schloß: »Es stünde besser um Kastilien, wenn uns unser Jude Ibn Schoschan nicht weggestorben wäre.«
Don Alfonso verdüsterte sich. Die Mahnung verdroß ihn. Er hatte den Feldzug gegen den Emir von Sevilla, der dann so übel ausging, schon vor vier Jahren unternehmen wollen, nur der alte Ibn Schoschan hatte ihn zurückgehalten. Jetzt sollte offenbar an dessen Stelle dieser Ibrahim von Sevilla treten – so erwarteten es Doña Leonor und Manrique – und ihn vor raschen Entschlüssen bewahren. Deshalb vielleicht mehr noch als aus Gründen der Wirtschaft hatten sie ihm so inständig zugeredet, den Juden zu bestallen. Sie hielten ihn, Alfonso, für zu ungestüm, zu kriegerisch, sie trauten ihm die schlaue, armselige Geduld nicht zu, die ein König in diesen krämerhaften Zeiten haben mußte.
»Und arabisch sind sie auch noch!« sagte er unmutig und schlug auf die Dokumente. »Ich kann nicht einmal recht lesen, was ich da unterschreiben soll.«
Don Manrique erriet ihn; er wollte die Unterzeichnung hinauszögern. »Da du’s befiehlst, Herr König«, antwortete er bereitwillig, »lasse ich die Verträge lateinisch ausfertigen.«
»Gut«, sagte Alfonso. »Und bestell mir also den Juden nicht vor dem Mittwoch.«
Die Audienz, in welcher die Unterschriften ausgetauscht werden
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