Die Kälte in dir (German Edition)
flehend.
Sie sagte nichts, blickte über ihn hinweg und rüber zu Achterberg.
»Ich gehöre nicht zu denen«, stammelte Daniel.
»Ich will nur raus hier«, erklärte Louise Osswald und erhob sich, ohne Anstalten zu machen, ihm die Hand zu reichen.
Sie war groß und schlank, sah trotzdem kräftig aus in ihrem geblümten Sommerkleid, das verdreckt und an einer Seite eingerissen war, als hätte sie sich auf der Flucht in einem Dornengestrüpp verhakt.
Sollte sie nicht, den Umständen angemessen, schwarz tragen?
, kam ihm in den Sinn.
Das nächste zuckende Wetterleuchten eröffnete ihm einen Blick in ihr Gesicht, in das sich die Strapazen der vergangenen Stunden gestanzt hatten. Er sah die dunklen Ringe unter den vor Entsetzen weit geöffneten Augen, die tiefen Falten rechts und links ihres verkniffenen Mundes. Die Angst, die aus jeder ihrer Poren schwitzte. Ihr kurz geschnittenes Haar klebte schweißnass am Kopf. Sie wankte und konnte sich nicht ohne Weiteres aufrecht halten.
Daniel übermannte die Befürchtung, sie würde ihn ohne Rücksicht zurücklassen.
»Gehen Sie nicht weg, bitte!«
Louise sah ihn an. Sie musste wissen, wie es sich anfühlte, mit abklingender Wirkung des Sedativums die Kontrolle über seinen Körper zurückzugewinnen. Genau wie sie die Angst kannte, die einem in den Leib fuhr, wenn man nach dem Erwachen feststellte, dass man sich in den Fängen eines Wahnsinnigen befand.
Seine motorischen Fähigkeiten waren noch nicht so gut hergestellt wie ihre. Aus ihrer Sicht war es durchaus verständlich, die Flucht ohne ihn fortzusetzen, wollte sie am Leben bleiben.
Achterberg schnarchte nicht mehr. Selbst der Sturm tobte weniger laut als noch vor ein paar Minuten. Daniels Zeit lief ab.
»Ich schaffe es, wenn Sie mich stützen«, versprach er.
Kristina hatte erwähnt, dass Louise Pferde züchtete. Der Umgang mit diesen mächtigen Tieren erforderte Kraft. Da sollte sie doch mit seinen lächerlichen 75 Kilo zurechtkommen.
»Wissen Sie, wo ich bin und wo der Ausgang ist?«
Daniel wusste es nicht. Nicht einmal, ob man der Hölle überhaupt entkommen konnte. Aber er nickte.
»… ein sehr kalter Ort voller Überraschungen«, ergänzte Bruno Schwarz.
Der Mann, der für Fett mordete.
Kristina hatte ihn aufgespürt. Nein, der Mörder war zu ihr gekommen, während sie auf dem harten Steinboden kauerte. Sie legte den Kopf in den Nacken, doch sie konnte nichts erkennen. Selbst das Blitzlicht verlor gegen die Dunkelheit, aus der er zu ihr sprach.
»Ich habe Sie gesehen. Sie stehen oft am Fenster«, ließ er Kristina wissen.
Der Mann mit dem Mantel.
Daniel hatte recht behalten. Er hatte sie beobachtet. War ihnen nah gewesen. Die ganze Zeit.
»Waren Sie bei uns im Präsidium, wo Sie das Gebäude doch in und auswendig kennen müssen?«
Sein Lachen klang, als würde Wasser in den Abfluss gesogen. »Glauben Sie, ich habe mir wohlweislich einen Geheimweg eingebaut, den ich benutzen kann, falls ich mal zum Mörder werde?«
Natürlich nicht. Der Gedanke war von Anfang an abwegig gewesen.
»Sie kommen hier nicht mehr weg!«, drohte sie. Es war ein lächerlicher Versuch, Zeit zu schinden.
»Ich weiß. Und ich weiß auch, dass Sie das beunruhigt, weil ich demzufolge nichts mehr zu verlieren habe.« Er bemühte sich, seine Stimme in einer konstanten Tonlage zu halten, was ihm nicht bei jeder Silbe gelang. Er zitterte. Die Kälte hatte ihn fest im Griff.
»Wo sind meine Kollegen?«
Statt eine Antwort zu bekommen, hörte sie Schritte. Er näherte sich. Schemenhafte Umrisse einer Person schälten sich aus der Finsternis. Nicht dünn, sondern unförmig und breit. Ein weiterer, widersinniger Eindruck, der in ihrem Verstand für Konfusion sorgte, seit sie diesen Bauernhof betreten hatte. Schwarz sollte dürr wie ein Skelett sein.
»Was haben Sie mit Doreen Mezger gemacht?«
Sein Lächeln knirschte, als hätte er Eiswürfel zwischen den Zähnen.
»Fragen Sie besser, was sie mit mir gemacht hat.«
»Ich verstehe nicht?«
»Sie haben vieles nicht verstanden, Frau Kommissarin.«
»Dann helfen Sie mir auf die Sprünge, denn ich würde gerne begreifen, warum es hier endet?«
Die Rippen, die Hüfte, die rechte Schulter; überall tobte der Schmerz, während sich Kristina aufrichtete.
Er ließ sie gewähren, schoss sie nicht über den Haufen, und auch Doreen sprang nicht aus ihrem Versteck, um ihr die Axt in den Rücken zu dreschen.
Wie nur konnten sich die beiden verbünden?
»Obwohl ich mit der Absicht in
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