Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
Vom Netzwerk:
stürzte, und als er sein schmerzverzerrtes Gesicht sah, waren ihm die Tränen gekommen. Nun wischte sich Joan die Tränen ab und breitete die Arme aus, um seinen Bruder zu begrüßen. Arnau warf sich ihm entgegen.
    »Du musst meinen Rücken mit dieser Salbe einreiben«, sagte er noch, während Joan ihn ins Haus führte.
    Mehr brachte er nicht mehr heraus. Er warf sich der Länge nach mit ausgebreiteten Armen hin und war nach wenigen Sekunden in einen heilsamen Schlaf gefallen. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, säuberte Joan die Wunde und den Rücken mit warmem Wasser, das Mariona ihm brachte. Danach trug er die streng riechende Salbe auf. Sie schien sofort Wirkung zu zeigen, denn Arnau wälzte sich unruhig hin und her, ohne jedoch aufzuwachen.
    In dieser Nacht war es Joan, der keinen Schlaf fand. Er saß neben seinem Bruder auf dem Boden und lauschte auf Arnaus Atem. War dieser gleichmäßig, fielen ihm langsam die Augen zu, doch sobald Arnau sich bewegte, schreckte er wieder hoch. »Und was wird jetzt aus uns?«, dachte er hin und wieder. Er hatte mit Pere und seiner Frau gesprochen. Das Geld, das Arnau als Bastaix verdienen konnte, würde nicht für sie beide reichen. Was sollte aus ihm werden?
    »Ab in die Schule!«, befahl ihm Arnau am nächsten Morgen, als er Joan dabei antraf, wie er Mariona zur Hand ging.
    Er hatte am Vortag darüber nachgedacht: Alles sollte so weitergehen, wie es zu Lebzeiten seines Vaters gewesen war.
    Über den Herd gebeugt, warf die alte Frau ihrem Mann einen Blick zu. Joan wollte Arnau antworten, doch Pere kam ihm zuvor: »Mach, was dein älterer Bruder dir sagt«, forderte er ihn auf.
    Marionas angespannter Blick wich einem Lächeln. Der alte Mann sah sie mit unverändert ernster Miene an. Wovon sollten sie leben? Doch Mariona lächelte weiter, bis Pere den Kopf schüttelte, so als wollte er die Unwägbarkeiten aus seinen Gedanken vertreiben, über die sie in der Nacht so lange gesprochen hatten.
    Joan verließ eilig das Haus. Als der Kleine verschwunden war, versuchte Arnau erneut, sich zu strecken. Er konnte keinen einzigen Muskel rühren. Er war völlig verspannt und über und über mit schlimmen Schürfwunden übersät. Doch ganz langsam begann sein junger Körper, ihm wieder zu gehorchen. Nachdem er sein karges Frühstück verzehrt hatte, ging er in die Sonne hinaus. Lächelnd sah er über den Strand aufs Meer hinaus und zu den sechs Galeeren, die noch immer im Hafen vor Anker lagen.
    Ramon und Josep ließen sich seinen Rücken zeigen.
    »Eine Tour«, sagte der Zunftmeister zu Ramon, bevor er zu den anderen ging. »Danach zur Kapelle.«
    Arnau sah Ramon an, während er das Hemd wieder überstreifte.
    »Du hast es gehört«, sagte dieser.
    »Aber …«
    »Hör auf ihn, Arnau. Josep weiß, was er tut.«
    Ja, das wusste er. Nachdem er den ersten Krug transportiert hatte, begann Arnau wieder zu bluten.
    »Wenn es schon beim ersten Mal geblutet hat, kommt es doch auf ein paar Touren mehr nicht an«, beteuerte Arnau, als Ramon nach ihm seine Ware am Strand ablud.
    »Die Schwielen, Arnau. Es geht nicht darum, dass du dir den Rücken zuschanden schleppst, sondern dass sich Schwielen bilden. Jetzt geh und wasch dich, trage die Salbe auf, und dann gehst du in die Kapelle.« Arnau versuchte zu widersprechen. »Es ist unsere Kapelle, Arnau, deine Kapelle. Einer muss sich um sie kümmern.«
    »Diese Kapelle bedeutet uns sehr viel«, setzte der Bastaix hinzu, der mit Ramon zusammenarbeitete. »Wir sind nur einfache Stauer, doch das Ribera-Viertel hat uns zugestanden, was kein Adliger und keine der reichen Zünfte besitzt: die Kapelle mit dem Allerheiligsten und die Schlüssel zur Kirche der Schutzpatronin des Meeres. Verstehst du?« Arnau nickte nachdenklich. »Nur wir Bastaixos dürfen diese Kapelle instand halten. Es gibt keine größere Ehre für einen von uns. Du wirst noch genug Zeit zum Be- und Entladen haben, mach dir da mal keine Sorgen.«
    Mariona versorgte seine Wunden und Arnau ging zur Kirche Santa María. Dort suchte er nach Pater Albert, damit dieser ihm die Schlüssel zur Kapelle aushändigte, doch der Priester forderte ihn auf, ihn zu dem Friedhof am Portal de les Moreres zu begleiten.
    »Heute Morgen habe ich deinen Vater beerdigt«, sagte er und deutete auf den Friedhof. Arnau sah ihn fragend an. »Ich wollte dir nicht Bescheid geben, falls sich Soldaten dort zeigen sollten. Der Stadtrichter wollte nicht, dass die Leute den verbrannten Leichnam deines Vaters sehen, weder

Weitere Kostenlose Bücher