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Die Kathedrale des Meeres

Titel: Die Kathedrale des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Falcones Ildefonso
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sollen wir diese randvollen Krüge transportieren?«, überlegte Arnau. Ein einzelner Mann konnte unmöglich eine solche Last tragen. Die Bastaixos taten sich zu je zweien zusammen. Nachdem sie die Krüge hingelegt und Seile daran befestigt hatten, schulterten sie eine kräftige Stange, die sie zuvor durch die Seile geführt hatten. Dann machten sie sich hintereinander auf den Weg in Richtung Strand. Noch mehr Staub wurde aufgewirbelt. Arnau hustete erneut. Als die Reihe an ihm war, hörte er Ramons Stimme.
    »Gebt dem Jungen einen von den kleinen, von denen mit dem Salz.«
    Der Lagerverwalter sah Arnau an und schüttelte den Kopf.
    »Salz ist teuer«, erklärte er Ramon. »Wenn der Krug hinfällt …«
    »Gib ihm einen mit Salz!«
    Die Getreidekrüge waren etwa einen Meter hoch. Der von Arnau maß kaum einen halben Meter, doch als der Junge ihn mit Ramons Hilfe auf den Rücken wuchtete, merkte er, dass seine Knie zitterten.
    Ramon packte ihn von hinten an den Schultern.
    »Jetzt musst du dich beweisen«, raunte er ihm ins Ohr.
    Arnau ging los, gebückt, die Hände fest um die Henkel des Kruges geklammert, den Kopf vorgereckt. Er merkte, wie ihm der Lederriemen in die Stirn schnitt.
    Ramon sah ihn schwankend davongehen. Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen. Der Verwalter schüttelte erneut den Kopf, und die Soldaten schwiegen, als er an ihnen vorüberkam.
    »Für Euch, Vater!«, murmelte Arnau mit zusammengebissenen Zähnen, als er die glutheiße Sonne auf dem Gesicht spürte. Das Gewicht würde ihn in Stücke reißen! »Ich bin kein Kind mehr, Vater, seht Ihr?«
    Hinter ihm kamen Ramon und ein weiterer Bastaix, eine Stange mit einem Getreidekrug zwischen sich. Beider Blicke waren auf die Füße des Jungen gerichtet. Sie konnten sehen, wie seine Knöchel aneinanderstießen. Arnau strauchelte. Ramon schloss die Augen.
    Ob er noch dort hängt?, fragte sich Arnau in diesen Momenten, das Bild des toten Bernat vor Augen. »Niemand wird mehr über Euch spotten können! Nicht einmal diese Hexe und ihre Stiefkinder.«
    Er richtete sich unter der Last auf und ging weiter.
    Er schaffte es zum Strand. Ramon hinter ihm lächelte. Keiner sagte ein Wort. Die Lastschiffer kamen ihm entgegen und nahmen ihm den Salzkrug ab, bevor er das Wasser erreicht hatte. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Arnau sich aufrichten konnte. »Habt Ihr gesehen, Vater?«, murmelte er und sah zum Himmel.
    Ramon klopfte ihm auf den Rücken, als er das Getreide abgeladen hatte.
    »Noch einen?«, fragte der Junge ernsthaft.
    Er schleppte noch zwei. Als Arnau den dritten Krug am Strand ablieferte, trat Josep zu ihm, einer der Zunftmeister.
    »Für heute ist es genug, Junge«, sagte er zu ihm.
    »Ich kann noch weitermachen«, versicherte Arnau und versuchte zu verbergen, wie sehr ihn der Rücken schmerzte.
    »Nein, das kannst du nicht. Ich kann nicht zulassen, dass du blutend durch Barcelona läufst wie ein verwundetes Tier«, sagte er väterlich, während er auf mehrere dünne Rinnsale deutete, die Arnaus Rücken hinabliefen. Der Junge hob die Hand zum Rücken und betrachtete sie. »Wir sind keine Sklaven. Wir sind freie Männer, freie Arbeiter, und so sollen die Leute uns sehen. Keine Sorge«, bemerkte er, als er Arnaus bekümmerte Miene bemerkte. »Uns allen ist es irgendwann einmal so ergangen, und wir alle hatten jemanden, der uns vom Weiterarbeiten abhielt. Die wunden Stellen, die sich an deinem Hinterkopf und an deinem Rücken gebildet haben, müssen zuerst verschorfen. In einigen Tagen wird es so weit sein. Du kannst mir glauben, dass ich dir von da an nicht mehr Ruhepausen zugestehen werde als jedem deiner Kollegen.« Damit überreichte ihm Josep ein kleines Fläschchen. »Wasch die Wunden gut aus und trage diese Salbe auf, damit der Schorf austrocknet.«
    Angesichts der Worte des Zunftmeisters fiel die Anspannung von Arnau ab. An diesem Tag würde er keine Lasten mehr schleppen müssen. Doch nun machten sich Schmerzen und Müdigkeit nach der durchwachten Nacht bemerkbar. Arnau war am Ende seiner Kräfte. Er murmelte etwas zum Abschied und schleppte sich nach Hause. Joan wartete in der Tür auf ihn. Wie lange mochte er schon dort stehen?
    »Weißt du, dass ich ein Bastaix bin?«, fragte Arnau ihn, als er vor ihm stand.
    Joan nickte. Ja, das wusste er. Er hatte ihn während seiner letzten beiden Gänge beobachtet, hatte bei jedem unsicheren Schritt, den er machte, die Zähne zusammengebissen und die Hände geballt, hatte gebetet, dass er nicht

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