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Die Katze, die den Dieb vertrieb

Die Katze, die den Dieb vertrieb

Titel: Die Katze, die den Dieb vertrieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Aber er war Trauzeuge, und er hatte das Beste daraus gemacht.
    Während sich die beiden Schwägerinnen unter Freudentränen umarmten, schüttelten die beiden Männer einander die Hand, und Carter Lee dankte Qwilleran, daß er als Trauzeuge fungiert hatte.
    »Ich habe das jetzt schon zum dritten Mal gemacht«, sagte Qwilleran, »und diesmal habe ich zum ersten Mal nicht den Ring fallen lassen – ein gutes Omen!«
    Bevor sie gingen, erzählte er Silas Dingwall von den Mehr oder weniger haarsträubenden Geschichten und vereinbarte für den nächsten Tag einen Termin, um ›etwas Haarsträubendes, Mysteriöses oder sonst irgendwie Sensationelles‹ aufzunehmen. Der Gastwirt versprach ihm eine gute Geschichte.
    Auf dem Heimweg erwähnten sie den Gefühlsausbruch der Kellnerin mit keinem Wort. Polly sagte, er sei der attraktivste Mann bei der Hochzeit gewesen; er sagte, sie sähe jünger aus als die Braut. Beide waren der Meinung, daß Lynette selig wirkte.
    »Siehst du, Qwill, du hattest unrecht; sie hat ihn nicht sitzenlassen.«
    »Zum ersten Mal im Leben habe ich unrecht gehabt«, scherzte er mit gespielter Unbekümmertheit.
    Als Qwilleran am Tag nach der Hochzeit zum Boulder House Inn fuhr, ließ er den Vorfall vom Vorabend noch einmal Revue passieren. Die Kellnerin hieß Tracy und war eine hübsche Blondine. Offensichtlich war sie Ernie Kemples Tochter, die Carter Lee James des öfteren ausgeführt hatte. Ihr Vater wußte, daß sie leichtgläubig war, und hatte Angst, daß man ihr wieder weh tun würde. Jetzt fragte Qwilleran sich, was für einen Ehemann Lynette da bekommen hatte. Er war ein attraktiver junger Mann, der alle einheimischen Frauen bezauberte, einschließlich Polly: Sie war für seine charmante Art durchaus empfänglich. Er galt als echter Gentleman. Was mochte er sonst noch sein?
    Im Gasthaus wurde Qwilleran von Silas Dingwall überschwenglich begrüßt; er war ganz aufgeregt, daß er ›in ein Buch‹ kam. Er sagte: »Gehen wir ins Büro, dort ist es ruhig.«
    »Und zuerst erzählen Sie mir etwas über sich«, sagte Qwilleran.
    Bei einer Tasse Kaffee erfuhr er, daß Dingwall von den Überlebenden eines Schiffsunglücks abstammte, das vor über hundert Jahren passiert war. Er war sein ganzes Leben von den Geschichten, die von Generation zu Generation überliefert wurden, fasziniert gewesen.
    »Es gab Gespenstergeschichten, geheimnisvolle Mordgeschichten, wahre Thriller über Rumschmuggler, und weiß Gott was noch alles. Meine Lieblingsgeschichte ist das Geheimnis von Dank Hollow, eine wahre Geschichte über einen jungen, frisch verheirateten Fischer. Sie ereignete sich vor etwa hundertdreißig Jahren, als Trawnto ein kleines Fischerdorf war. Wollen Sie sie hören?«
    »Unbedingt. Erzählen Sie sie einfach von Anfang bis Ende. Ich werde Sie nicht unterbrechen.«
    Und das war – auf Papier übertragen – die Geschichte:
    Eines Tages ging ein junger Fischer namens Wallace Reekie, der in diesem Dorf hier lebte, zum Begräbnis seines Bruders in eine zwanzig Meilen entfernte Stadt. Er hatte kein Pferd, also machte er sich bei Tagesanbruch zu fuß auf den Weg und sagte seiner frischgebackenen Ehefrau, daß er bei Einbruch der Nacht wieder zu Hause sein werde. Die Leute waren in der Dunkelheit nicht gerne auf jener Straße unterwegs, weil sie durch eine gefährliche Mulde führte. Dort stieg nämlich der Nebel auf, so daß man die Straße nicht sah, und man konnte leicht vom Weg abkommen und in den Sumpf geraten. Sie nannten diese Mulde Dank Hollow.
    Beim Begräbnis half Wallace dabei, den Sarg seines Bruders zum Grab im Wald zu tragen, und dabei stolperte er über eine Baumwurzel. Ein alter schottischer Aberglaube sagt, wenn man stolpert, während man einen Sarg trägt, wird man als nächster im Grab liegen. Das muß Wallace beunruhigt haben, dann beim Leichenschmaus trank er zuviel und machte sich zu spät auf den Heimweg. Seine Verwandten wollten, daß er bei ihnen übernachtete, doch er hatte Angst, daß sich seine junge Frau Sorgen machen würde. Aber er legte sich zu einem Schläfchen hin, bevor er ging, und brach ziemlich spät auf.
    Es war ein Marsch von fünf Stunden, und als er bei Einbruch der Nacht nicht da war, wie er es versprochen hatte, blieb seine Frau die ganze Nacht auf und betete. Es dämmerte gerade, da sah sie entsetzt, wie ihr Mann in den Vorgarten ihrer kleinen Hütte taumelte. Bevor er ein Wort sagen konnte, brach er zusammen. Sie rief um Hilfe, und ein Nachbarjunge holte den Arzt.

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