Die Katze, die den Dieb vertrieb
erzählte ihr die Geschichte. Er sagte: »Wenn ich in den Krankenhäusern anrufe, werden sie nicht mal mit mir reden. Sie als Hausärztin einer prominenten Einwohnerin von Pickax können die richtigen Fragen stellen. Ich habe die Telefonnummern aller Krankenhäuser. Wären Sie so freundlich, sie ausfindig zu machen und festzustellen, was mit ihr los ist?«
»Natürlich. Gerne.« Diane war hilfsbereit wie alle Lanspeaks. »Vielleicht ist es ja auch nur etwas Harmloses. Sobald ich Genaueres weiß, rufe ich Sie an.«
Qwilleran streckte sich auf dem Bett aus und wartete. Sein Buch interessierte ihn nicht mehr. Vielleicht war er eingedöst, denn er schreckte plötzlich auf, weil es über seinem Kopf donnerte und knatterte. Riesige Hagelkörner schlugen auf das Dach und die Terrasse. Die Katzen waren ebenfalls beunruhigt; sie jammerten, bis er sie in sein eigenes Schlafzimmer ließ. Dann waren sie still, mit Ausnahme eines anscheinend völlig grundlosen heftigen Ausbruchs von Koko.
Es war halb fünf, als das Telefon läutete. Dr. Dianes Stimme war beunruhigend ernst. »Ich habe sie gefunden, Qwill. Ihr Zustand war kritisch. Ich habe das Krankenhaus in Abständen mehrere Male angerufen, und…«
»Sie ist tot?« stieß Qwilleran hervor.
»Sie ist vor einer Stunde gestorben.«
»Was hat man als Ursache angegeben?«
»Gastrointestinale Komplikationen, verstärkt durch übermäßigen Alkoholgenuß.«
»Nein!« sagte er. Das war unmöglich, dachte er. Bei ihrer Geburtstagsfeier hatte sie kaum am Champagner genippt, und harte Sachen rührte sie überhaupt nie an. Hatte Carter Lee sie überredet, einen Sazerac oder irgendeinen anderen exotischen Drink zu probieren?… Dann fiel ihm Kokos gequältes Heulen vor ungefähr einer Stunde ein.
»Qwill! Sind Sie noch dran?«
»Ich bin da, Diane. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Wie soll ich das bloß Polly beibringen?«
»Möchten Sie, daß ich es ihr sage?«
»Vielen Dank, aber ich glaube, das sollte ich besser selbst tun – allerdings erst morgen früh. Ich gehe zu ihr und sagte es ihr persönlich… Ja, das ist wohl am besten. Diane, Sie wissen gar nicht, wie sehr wir Ihre Hilfe zu schätzen wissen.«
»Dafür bin ich da«, sagte sie.
Er legte auf. Dann ging er im Zimmer auf und ab und versuchte, sich über seine Gefühle klarzuwerden. Er war geschockt, weil es so plötzlich passiert war… traurig über den Verlust einer jungen, tatkräftigen, allseits beliebten Tochter von Pickax… überwältigt von Mitgefühl für Polly, die das letzte Verbindungsglied zu ihrer ›Familie‹ verlor… und zornig war er auch. Es war noch nicht mal fünf Uhr, doch er wählte Danielles Nummer. Sie war besetzt. Er ging weiter auf und ab, und Koko beobachtete ihn mit beunruhigtem Blick. Wer außer Carter Lee konnte sie um diese Tageszeit anrufen? Nach ein paar Minuten versuchte er es erneut, und wieder war die Leitung besetzt. Was hatten sie miteinander zu bereden, das so lange Zeit in Anspruch nahm? Oder hatte sie den Hörer neben den Apparat gelegt? Er ging nach unten und schaltete die Kaffeemaschine ein; dann rief er wieder an.
Als es zu läuten begann, hatte er gute Lust, sie anzuschreien: Wo ist Ihr Cousin? Warum macht er aus seinem Aufenthaltsort so ein Geheimnis? Haben Sie mit ihm telefoniert? Ihre Leitung ist seit einer Stunde besetzt! Was in aller Welt haben Sie miteinander geredet?
Als sie sich mit ihrer albernen Stimme meldete, sagte er ruhig: »Danielle, ich habe gerade die furchtbare Neuigkeit erfahren. Wir haben Lynette verloren. Hat Carter Lee angerufen und es Ihnen gesagt?«
»Ja, gerade eben. Woher haben Sie es erfahren?«
»Unsere hiesige Ärztin stand mit dem Krankenhaus in New Orleans in Verbindung.«
»Ist es nicht schrecklich? Mein Cousin ist am Boden zerstört. Ich habe versucht, ihn aufzumuntern.«
»Ich würde ihn gern anrufen und ihm mein Beileid bekunden. Ich bin sicher, in so einer Situation hilft jedes freundliche Wort. Haben Sie seine Telefonnummer im Hotel bekommen?«
»Er hat es bereits verlassen! Er kommt nach Hause. Ich habe ihm gesagt, er soll kommen, bevor der Flughafen geschlossen wird. Er fliegt heute her. Er sagte, sobald er alles Erforderliche in die Wege geleitet hat, würde er abreisen.«
»Ich hole ihn gern vom Flughafen ab…«
»Er will, daß ich ihn abhole. Er will mit mir über ein paar Dinge reden. Bevor sie gestorben ist, hat Lynette zu ihm gesagt, er soll mit seiner Arbeit weitermachen. Er will aus der Pleasant Street eine
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