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Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Titel: Die Katze, die den Dieb vertrieb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilian Jackson Braun
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Hobby hat, und es ist gut, wenn man etwas dazulernt.«
    »Was hat denn Vivian vor den klassischen Puppen gesammelt?«
    »Einfache Puppen. Alte Puppen aus Moose County, die die Pioniere für ihre Kinder gemacht haben. Aus geschnitztem, bemaltem Holz, ausgestopften Mehlsäcken, solche Sachen.«
    Qwilleran meinte, er habe noch keine einzige Puppe im Haus gesehen.
    »Sie sind alle oben. In Glasvitrinen.«
    »Unter Verschluß?«
    »Ich habe das nie für nötig gehalten, aber jetzt…«, sagte Kemple achselzuckend.
    Qwilleran deutete auf ein weiteres Foto an der Wand, auf dem eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren zu sehen war. »Ihre Tochter?«
    »Ja, das ist Tracy, kurz nach ihrer Hochzeit.«
    »Sie kommt mir bekannt vor.«
    »Sie haben sie in der Old Stone Mill gesehen. Dort arbeitet sie mittags, und abends kellnert sie im Boulder House Inn. Sie hätte eine schöne Stelle im Versicherungsbüro haben können, aber sie ist gerne unter Menschen. Und sie liebt das viele Trinkgeld! Glauben Sie mir, sie bekommt eine ganze Menge! Sie hat ein freundliches Wesen… Noch Kaffee? Oder wollen Sie die Puppen sehen?«
    Im Obergeschoß des Hauses waren drei Räume wie ein Museum mit Vitrinen ausgestattet. Der erste Raum enthielt einfache Puppen, die zwischen 1850 und 1912 gefertigt worden waren. Eine Puppe bestand aus Zwirnspulen, die so aneinandergebunden waren, daß sich die Arme und Beine bewegten. Eine andere war aus der Astgabel eines kleinen Baumes geschnitzt, wobei die gegabelten Äste die Beine waren. Auf einen ausgestopften Strumpf waren grob Gesichtszüge aufgenäht: schielende Augen, gekrümmte Nase, ein Mund mit heruntergezogenen Mundwinkeln.
    »Häßlich«, sagte Kemple, »aber jede einzelne wurde von irgendeinem kleinen Kind geliebt.«
    »Wer hat Zutritt zu diesen Räumen?« fragte Qwilleran.
    »Freunde und ernsthafte Sammler. Während der Feiertage war Vivians Sonntagsschulklasse da, und dann die Historische Gesellschaft. Wir haben in unserem Testament verfügt, daß die einfachen Puppen an das Goodwinter-Farmmuseum gehen. Die klassischen Puppen sollen verkauft werden, und der Erlös ist für die College-Ausbildung unserer Enkelkinder vorgesehen.«
    »Ich würde gerne die klassischen Puppen sehen.«
    Überwältigend war das richtige Wort für die zwei Räume, in denen die Schönheiten aus Porzellan, Wachs, Biskuitporzellan und Papiermache ausgestellt waren. Sie waren dreißig bis fünfzig Zentimeter groß, hatten hübsche Gesichter, echtes Haar und prachtvolle Kostüme. Es gab Reifröcke, Turnüren, kunstvolle Hüte, Muffe, Sonnenschirme, Ziegenlederstiefel, winzige Handschuhe und filigranen Schmuck. Die prächtigen Stoffe waren mit Spitzen, Stickereien, Rüschen, Knöpfen und Schleifen verziert.
    Kemple zeigte Qwilleran die französischen mondänen ›Damen‹, Puppen, die einen bestimmten Persönlichkeitstyp darstellten, Bräute und pummelige Babypuppen. Kokette Puppen, die ihre schmachtenden Augen hin- und herrollen konnten, erinnerten Qwilleran an Danielle; er hatte immer den Verdacht gehabt, daß sie nicht ganz echt war.
    Ganz der Historiker, wies Kemple ihn darauf hin, daß die älteren Puppen kleine Köpfe, lange Arme und einen überraschten Gesichtsausdruck hatten. Dann kamen die pausbäckigen Puppen mit ausdrucksvollen Augen, mit Wimpern und winzigen Schmollmündchen. Geöffnete Lippen, zwischen denen winzige Zähnchen zu sehen waren, waren eine spätere Entwicklung.
    Einige Details an den Wachspuppen faszinierten Qwilleran. Viele hatten Menschenhaar, das mit einer heißen Nadel einzeln in das Wachs eingesetzt worden war. Wachs konnte schmelzen oder zerspringen, und es war schon vorgekommen, daß Kinder ein Stück abgebissen und wie Kaugummi gekaut hatten.
    »Diese kleinen Kannibalen!« sagte Qwilleran. Er hörte sich geduldig an, was Kemple über Patentanmeldungen, die Logos der Puppenmacher und die Bauweise von Puppen mit Gelenken und ohne Gelenke sagte. Dann erkundigte er sich nach der gestohlenen Puppe. Sie war aus geschnitztem, bemaltem Holz, zwanzig Zentimeter groß und sehr alt. Die Farbe war schon sehr verblichen, und man nahm an, daß sie aus einem Indianerdorf am Ufer des Ittibittiwassee River stammte. Vielleicht war sie auch ein Talisman und keine Puppe gewesen.
    »Das ist das erste Stück, das je aus unserer Sammlung verschwunden ist«, sagte Kemple. Dann senkte er die Stimme und grollte: »Sie wurde bei Lenny Inchpot gefunden.«
    »In seinem Spind«, korrigierte ihn Qwilleran, »während er

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