Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya
die über Bumby hereingebrochen war. »Katastrophe« war noch milde ausgedrückt.
Als Erstes war aus der nahe gelegenen Chemiefabrik versehentlich ein großes Quantum grellrosa Farbstoff in den FlussRost ausgetreten. Kurz darauf hatte eine ungewöhnlich hohe Springflut, gefolgt von einem vierwöchigen Dauerregen, den Fluss über die Ufer treten lassen, sodass die ganze Stadt überschwemmt wurde und alles – die Kirche, das Rathaus und sämtliche Läden und Häuser – in einem scheußlichen Rosaton eingefärbt wurde. Bumby war so rosa, dass die Stadt auf einem Satellitenbild von England aussah wie ein leuchtender Pickel auf der Schulter des Landes.
Als Nächstes waren mehrere Bewohner von Bumby ins Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem sie im indischen Restaurant der Stadt ein tödlich scharfes Curry zu sich genommen hatten. Eine Untersuchung durch das Amt für Nahrungsmittelkontrollen ergab, dass das im Restaurant angebotene Currygericht »Hühnchen Madras« eine Yorkshire-Mamba enthalten hatte – eine Chilischote, die fünfmal schärfer ist als die Dorset-Naga, die bislang den Rekord als schärfste Chilischote der Welt innehatte. (Die Yorkshire-Mamba ist so scharf, dass es verboten ist, ihre Samen zu verkaufen und außerhalb eines Labors heranzuzüchten. Warum ausgerechnet England zum Zentrum für scharfe Chilizüchtungen wurde, erkläre sich, wer will.)
Es heißt, ein Unglück komme selten allein. In Bumby aber kam es gleich dutzendweise.
Nicht lange nach dem Curry-Zwischenfall kam ein ukrainischer Zirkus in die Stadt. Am ersten, katastrophal verlaufenen Abend schaffte es der Wunderbare Wladimir, ein weltberühmter Zauberer, eine Dame wahrhaftig in zwei Teile zu zersägen, während Leonid, der Löwenbändiger, von einer hungrigen Löwin gefressen wurde.
In der Zwischenzeit entpuppte sich Bumby als Ausgangspunkt eines Computervirus – der Bumby-Bakterie –, welcher die Hälftealler Computer in Europa infizierte, ehe man ihn zu fassen bekam und vernichtete. Dann brachte der Fremdsprachenverlag Bumby Foreign Language Press einen englischen Sprachführer in zweiundvierzig Sprachen heraus, der jede Menge Übersetzungsfehler enthielt, sodass Fremde, die beispielsweise glaubten, nach dem Weg zum Tower von London zu fragen, in Wirklichkeit darum baten, ins Gefängnis geworfen zu werden. Wo viele von ihnen auch landeten.
Und als ob all das noch nicht schlimm genug wäre, entpuppte sich die Goldmine von Bumby als das größte Desaster von allen. Nachdem man in den für ihre Tiefe berühmten Höhlen von Bumby mehrere große Klumpen aus echtem, 2 2-karätigem Gold entdeckt hatte, glaubte man, das Schicksal der Stadt habe sich endlich gewendet. Die Bewohner kamen zu Hunderten, um nach dem wertvollen Edelmetall zu graben und ein Vermögen zu machen. Doch weiteres Gold wurde nie gefunden. Obendrein verschwanden mehrere Goldgräber auf Nimmerwiedersehen, als einer von ihnen seine Spitzhacke in einen Felsen trieb und damit einen uralten Vulkan reaktivierte, der als längst erloschen gegolten hatte.
So viel Pech war John noch nie untergekommen. Noch während er und Groanin sich in Bumby aufhielten und das schlechte Feiertagswetter erduldeten, wurde die Stadt von einer weiteren Plage in Form einer besonders unangenehm riechenden Stinkwanze, der
Nezara viridula
, heimgesucht, die, wenn sie sich bedroht fühlt, einen widerlichen Geruch absondert. Damit war Bumby nicht nur die am meisten von Pech, sondern womöglich auch von Gestank verfolgte Stadt.
Wenig überraschend tummelte sich kaum einer der üblichen Touristen in der Stadt, die normalerweise während der Osterferiennach Bumby kamen. John und Groanin waren die einzigen Gäste in dem ungastlichen, grellrosa Hotel, das den unpassenden Namen
Pension Oase
trug.
John schnippte eine Stinkwanze von seinem Knie und steckte den Zeitungsartikel weg, ohne zu merken, dass das Insekt auf Groanins kahlem Schädel landete und auf der Stelle zu stänkern begann.
»Sind Sie sicher, dass Bumby es sich leisten kann, auf das Ende Ihres Urlaubs zu warten?«, fragte John den Butler. »Bevor ich versuche, das Glück der Stadt wiederherzustellen, meine ich.«
Groanin hob den Kopf und schnüffelte misstrauisch. »Was hast du gesagt?«
»Sind Sie sicher, dass die Stadt es sich leisten kann, so lange zu warten?«, wiederholte John. »Bei dieser Pechsträhne landet hier morgen womöglich ein Meteorit. Dann wäre Ihr Urlaub jedenfalls gelaufen.«
Groanin sah zum Himmel hinauf und
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