Die Klingen der Rose: Ein unwiderstehlicher Schurke (German Edition)
antike Vasen für Sie, Sir«, sagte der Verkäufer auf Englisch zu einem französischen Touristen. Er schob seinen Fez auf dem Kopf nach hinten. »Jede einzelne ein unschätzbares Kunstwerk.«
»Unschätzbar, sagen Sie?«, fragte der Franzose fasziniert.
»Eigentlich ist all das von unbezahlbarem Wert. Jedes dieser Stücke wurde behutsam aus der Erde geborgen, in der sie jahrhundertelang ruhten. Ach, jahrtausendelang sogar.«
London stand daneben und betrachtete die Amphoren und anderen Töpferwaren. Um ihnen einen antiken Anschein zu verleihen, hatte man etwas Erde in die Oberfläche gerieben und die Bemalung mit Schleifpapier bearbeitet. Obwohl sie keine Expertin für Archäologie war, erkannte sie doch, dass es sich hier um Fälschungen handelte. »Es überrascht mich, dass an Ihren Händen keine Farbe zu sehen ist«, schaltete sie sich ebenfalls auf Englisch in das Gespräch ein. »Denn all diese Sachen sind kaum älter als eine Woche.«
Erst blickte der Verkäufer sie mit finsterer Miene an, doch dann erschien auch schon ein Lächeln auf seinem Gesicht. »Die Dame ist klug. Genauso klug wie schön. Ja, diese Sachen sind nicht alt. Sie sind für die Dummköpfe, Sie verstehen? Die guten Stücke, die wirklich antiken, hebe ich für Kenner auf. Wie Sie und dieser geschätzte Gentleman welche sind.«
»Schon klar«, versetzte London trocken.
Der Blick des Franzosen zuckte zunächst nur flüchtig zu ihr her, dann musterte er sie eingehender. Er sah sehr gut aus und trug einen geschmackvollen Reiseanzug. Als er London anlächelte, nickte sie ihm höflich zu.
»Warten Sie, ich zeige sie Ihnen.« Der Verkäufer verschwand unter einem der Tische und tauchte mit einer kleinen Holzkiste wieder auf. Er schob einige Keramikgefäße achtlos beiseite und machte zwischen den Amphoren Platz, dann öffnete er die Kiste. Auf schäbigem Samt lagen verschiedene Tonscherben. »Die hier sind zu wertvoll. Ich möchte nicht, dass irgendein Idiot sie bekommt. Aber Sie, meine Dame, sind klug wie die Göttin Athene, und so will ich Ihnen dieses Privileg gern einräumen. Sie dürfen gern auch beide einen Blick darauf werfen.«
London zog einen ihrer cremefarbenen Glacéhandschuhe aus, reichte ihn Sally und nahm eine der Scherben in die Hand. Neben traditionellen Palmblättern zierte eine fast verblasste Schrift die Oberfläche. Wenn es sich dabei ebenfalls um eine Fälschung handelte, dann war sie nicht so offensichtlich zu erkennen wie im Fall der anderen Waren des Verkäufers. »Was können Sie mir darüber erzählen?«, fragte sie.
Der Händler strahlte, denn er glaubte, eine interessierte Kundin vor sich zu haben. »Dieses Stück ist alt. Ja, sehr alt sogar. Aus berufenstem Munde wurde mir bestätigt, dass es aus der Zeit von Darius dem Großen stammt.«
»Darius der Große?«, staunte der Franzose.
»Sind Sie sich da sicher?«, fragte London.
»Ganz sicher, meine Dame. Ich habe irgendwo Papiere, die es beweisen.«
»Sir«, sagte sie nach einem Augenblick, »Sie sind mir und diesem Gentleman gegenüber nicht ehrlich.«
Der Verkäufer wirkte beleidigt. »Sie misstrauen mir?«
»Ja, Sir. Sehr sogar.«
»Woher wollen Sie wissen, dass er nicht die Wahrheit sagt, Mademoiselle?«, fragte der Franzose mit einer Spur Herablassung. London sparte sich die Mühe, ihm zu erklären, dass sie eine Madame und keine Mademoiselle war.
»Sehen Sie hier.« Sie zeigte auf die Schrift. »Diese griechischen Worte stammen nicht aus der Zeit von Darius dem Großen. Da und da stimmt der Wortlaut nicht. Die Vokale haben sich verschoben. Verstehen Sie? Dieses Stück ist frühestens in der Zeit von Darius dem Dritten entstanden.«
Der Franzose starrte sie ungläubig an. Auch Sally wirkte fassungslos. Doch Sally hatte ja noch nie begriffen, mit welcher Ernsthaftigkeit London ihre Sprachstudien betrieb. Sie hatte die Jahre ihrer erzwungenen Einsamkeit nach Lawrence’ Tod strikt genutzt, um noch mehr alte Sprachen zu erlernen, als sie bereits kannte. Sie hatte ihre Diener beauftragt, bei den Buchhändlern in Covent Garden staubige, fast vergessene Bücher zu erwerben, und bis spät in die Nacht darüber gebrütet. Aber trotz all ihres Wissens, das sie sich in den Jahren seit ihrer unglücklichen Heirat angeeignet hatte, röteten sich nun doch ihre Wangen. Selbst hier in Athen galt eine gebildete Frau als Kuriosität.
Der Verkäufer blickte sie düster an. »Was soll das? Behaupten Sie etwa, dass ich lüge? Wollen Sie meine Kunden
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