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Große Tiere

Große Tiere

Titel: Große Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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    1
    Am 16. Juli, in der quälend feuchten Hitze des Sommers von Süd-Florida, stand Terry Whelper am Avis-Schalter des Miami International Airport und mietete ein hellrotes Chrysler-LeBaron-Kabrio. Er hatte eigentlich einen Dodge Colt – praktisch, sparsam im Verbrauch – haben wollen, doch seine Frau hatte ihn überredet, über seinen Schatten zu springen. Also nahm Terry Whelper den roten LeBaron sowie eine zusätzliche Unfallversicherung mit Rücksicht auf die Fahrkünstler Miamis. In das Kabrio lud er die Familie – seine Frau Gerri, seinen Sohn Jason, seine Tochter Jennifer – und wagte sich tapfer hinaus auf die Schnellstraße.
    Die Kinder, die mit Vorliebe Autospiele veranstalteten, fingen an, sämtliche LeBarons auf der Piste zu zählen. Als die Whelpers Snapper Creek passierten, waren es bereits siebzehn. »Und alle gemietet«, murmelte Terry. Er kam sich vor wie ein Idiot; sämtliche Touristen in Miami fuhren rote LeBaron-Kabrios.
    »Aber die Beine haben wunderbar Platz«, sagte seine Frau.
    Vom Rücksitz erklang Jennifers Stimme: »Und wenn es regnet?«
    »Könnten wir zum Beispiel das Verdeck hochklappen«, erwiderte Terry.
    Seine Frau schimpfte mit ihm, weil er seinen Sarkasmus an ihrer Tochter ausließ. »Sie ist doch erst elf, mein Gott.«
    »Entschuldige«, sagte Terry Whelper. Dann lauter, über die Schulter: »Jenny, entschuldige.«
    »Wofür?«
    Terry schüttelte den Kopf. »Ist schon gut, Schatz.«
    Kurz vor Florida City begann es zu regnen, und natürlich ließ das Verdeck des Kabrios sich nicht hochklappen; irgend etwas klemmte, oder vielleicht drückte Terry auch nicht auf den richtigen Knopf am Armaturenbrett. Die Whelpers flüchteten sich in eine Amoco-Tankstelle, parkten neben den Säulen mit Bedienung und warteten darauf, daß der Wolkenbruch aufhörte.
    Jennifer fragte: »Und wenn es nun Tag und Nacht regnet?«
    »Das wird es nicht«, sagte Terry.
    Der Schauer hörte nach einer knappen Stunde auf, und die Whelpers starteten wieder. Während die Kinder mit Strandtüchern das Innere des Kabrios abtrockneten, verteilte Gerri Pepsi-Cola-Dosen und Imbißhappen aus dem Automaten der Tankstelle.
    Die Whelpers hatten etwa die Hälfte der Card Sound Road hinter sich gebracht, als ein blauer Pickup ihnen mit mindestens achtzig Sachen entgegenkam. Ohne Vorwarnung flog etwas aus dem Fahrerfenster des Trucks heraus und landete auf dem Rücksitz des LeBaron. Terry hörte Jason einen Schrei ausstoßen; dann begann Jennifer zu heulen.
    »Fahr rechts ran!« kreischte Gerri.
    »Immer langsam«, sagte ihr Mann.
    Das Kabrio kam in einer Wolke aus Gras und Schotter schlitternd zum Stehen. Die Whelpers sprangen aus dem Wagen und versammelten sich am Straßenrand.
    »Es waren zwei Männer«, verkündete Jason und zeigte die Straße hinunter. »Und es waren Weiße.«
    »Bist du sicher?« fragte seine Mutter. Die Familie war auf mögliche Probleme mit Schwarzen und Latinos vorbereitet; ein Nachbar in Dearborn hatte ihnen einen Schnellkurs über Süd-Florida gegeben.
    »Für mich sahen sie weiß aus«, sagte Jason.
    Terry Whelper blickte finster drein. »Von mir aus können sie dunkelblau gewesen sein. Ich möchte bloß wissen, was sie geworfen haben.«
    Jennifer unterbrach ihr Weinen lange genug, um zu erwidern: »Keine Ahnung, aber es ist lebendig.«
    Terry stöhnte verhalten. »Himmel noch mal.« Er ging rüber zum Kabrio und lehnte sich hinein, um nachzuschauen. »Ich sehe nichts.«
    »Ich hab es auch gesehen«, sagte Jason. »Guck doch mal auf dem Boden nach, Dad.«
    Terry Whelper kletterte auf die Rückbank des LeBaron, beugte sich tief hinunter und schaute unter den Sitz. Die Kinder hörten ihn sagen: »Heilige Scheiße«, dann sprang er mit einem Satz aus dem Wagen.
    »Was ist es?« fragte seine Frau.
    »Eine Ratte«, sagte Terry Whelper. »Die häßlichste gottverdammte Ratte, die ich je gesehen haben.«
    »Sie haben eine Ratte in unseren Wagen geworfen?«
    »Offensichtlich.«
    Jason sagte: »Schade, daß wir Grandpas Gewehr nicht mitgenommen haben.«
    Gerri Whelper war erschüttert und völlig verwirrt. »Warum wirft jemand eine Ratte in unseren Wagen? Ist sie lebendig?«
    »Und wie«, meldete Terry. »Sie leert gerade die Tüte Rosinen.«
    »Die gehören mir!« kreischte Jennifer.
    Die Whelpers standen etwa eine Viertelstunde lang herum und berieten sich, ehe ein Wagen der Highway Patrol neben ihnen anhielt und ein junger Beamter sie fragte, was denn los sei. Er hörte sich geduldig die Geschichte

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