Die Knochen der Goetter
lassen. Und unten entweicht zuerst beim Brennen das heiße Wachs und später beim Gießen des weißen Metalls die Luft, sodass das weiße Metall ihren Platz einnehmen kann.«
Suleiman ummantelte nun die wächserne Katze und die angefügten Gusskanäle mit Lehm, bis sämtliche Teile vollkommen bedeckt waren. Anschließend brannte er den Lehm, sodass, wie er vorausgesagt hatte, das flüssig werdende, heiße Wachs nach unten herauslief. Dieses fing er in einer Schüssel auf, die er seinem Sohn gab. »Dein Wachs. Verwende es, für was du willst. In diesem Wachs lag bis eben deine Seele. Bald wird sie in den Knochen der Götter glänzen.«
Er deutete auf den Lehm. »Jetzt, Nauri, ist die innere Form hohl. Der Lehm hält die Gestalt deiner Katze fest. Und jetzt werden wir sie füllen.«
Suleiman nahm die Wanne mit dem flüssigen Silber mit einer Zange vom Feuer und goss dieses in die Lehmform, bis die ersten Tropfen aus dem unteren Kanal heraustraten. Dann legte er das Lehmstück zur Seite.
»Nun wird sie erkalten. Und später, wenn die Katze aus den Knochen der Götter fest erstarrt ist, werden wir sie aus dem Lehm herausschlagen, die Unebenheiten abschleifen und sie zuletzt so lange blank putzen, bis sie der Pharaonin würdig leuchtet.«
In diesem Moment wechselte die Flut den Ort.
Es war später Abend. Filine, Rufus und No standen vor dem Palast der Pharaonin. Die tief stehende rote Sonne warf ihr Licht über die Mauern.
Suleiman und Nauri standen vor einer der Palastwachen und begehrten Einlass.
»Wir bringen eine Arbeit für die Königin.«
Der Wächter musterte Vater und Sohn. »Seid ihr die beiden Sklaven von Mahu?«
»Wir sind Suleiman und Nauri!«, rief Nauri, der wie sein Vater ein in Tuch geschlagenes Paket trug. »Und wenn wir den Palast wieder verlassen, werden wir das als freie Männer tun. Dann kehren wir in das Land hinter dem Wasserfall zurück.«
Die Wache richtete sich drohend auf.
»Ich bin Goldschmied«, erklärte Suleiman beschwichtigend. »Und in diesen Tüchern ist die Arbeit, die die Pharaonin von mir verlangt hat.«
Ein weiterer Wächter, der verborgen im Schatten der Palastmauer stand und die Worte gehört hatte, gab ein Zeichen und das große Tor schwang auf.
Der Mann aus dem Schatten trat vor.
»Ihr werdet erwartet. Ich werde euch führen.«
Schweigend nahm er den Weg in den Palast auf und die beiden Nubier folgten ihm.
No, Filine und Rufus liefen ebenfalls in den Hof. Hinter ihnen fiel das Tor mit einem schweren Schlag zu.
Staunend sah No sich um. Der gewaltige Platz war leer bis auf ein Podest mit Sonnensegeln in der Mitte.
»Was ist denn das für ein Platz?«
»Ich glaube, wir sind im Nordpalast«, erklärte Filine. »Auf solchen Plätzen empfangen die Pharaonen die Gesandten anderer Reiche. Sie selbst sitzen dabei im Schatten unter den Sonnensegeln und die Gesandten müssen mit ihrem Gefolge stundenlang in der Sonne schmoren. Danach ist ziemlich klar, wer hier das Sagen hat.«
No verzog das Gesicht. »Das ist aber eine ziemlich miese Tour.«
»Ja«, gab Filine zu. »Du solltest mal die Weisheitsbücher der Ägypter lesen. Da stehen Ratschläge drin, die den schlauesten Politikern unserer Zeit immer noch ein paar wirklich gute Tricks zum Überlisten ihrer Gegner an die Hand geben würden.«
Rufus hörte den beiden zu, ohne Nauri und seinen Vater aus den Augen zu lassen. Inzwischen beherrschte er es besser, auf die vielen verschiedenen Eindrücke zu achten, die ihn umgaben, und sich gleichzeitig auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Nachdem sie den Platz überquert hatten, empfing sie eine streng wirkende Halle aus hellem Stein. Hier waren die Wände über und über mit Hieroglyphen bedeckt.
Auch Nauri schien das bemerkt zu haben. Er war stehen geblieben und griff nach der Hand seines Vaters.
»Sieh nur, Vater.«
»Ja«, antwortete Suleiman. »Das sind viele Gedanken.«
»Die du dir nicht machen solltest«, erschallte eine Stimme, und Mahu trat aus einem Seitengang. »Willkommen, Suleiman, im Palast der Göttin. Ich werde dich und deinen Sohn von hier an weiterführen.«
Suleiman nickte stumm und Mahu befahl der Wache, sich zu entfernen. Dann sah er Suleiman an. »Bist du dir bewusst, was du tust, nubischer Sklave?«
»Wir bringen der Königin die Katze, die sie verlangt hat«, mischte Nauri sich trotzig ein.
Mahu runzelte die Stirn. »Zeig sie mir!«
»Wir dürfen sie nur der Königin geben«, sagte Suleiman. »Das hat sie uns befohlen.«
Mahu lächelte
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