1229 - Das Vogelmädchen
Das alles passierte nicht in meiner Welt, sondern im fernen Atlantis, in das Myxin mich gebracht hatte, um mir dort den mächtigen Riesenvogel Gryx zu zeigen. Dass die Blonde zu ihm gehörte, hatten wir wohl beide vorher nicht gewusst. Ich für meinen Teil konnte es mit Bestimmtheit sagen.
Es tropfte zu Boden.
Nur war es kein Wasser, sondern der Schweiß, der sich von meinem Gesicht löste.
Der Druck der Klinge war von meinem Hals verschwunden.
Ein Zeichen, dass Sina die Waffe angehoben hatte. Jetzt wartete sie nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, um mir den Kopf abzuschlagen. Das Schwert nach unten sausen lassen, Volltreffer und weg.
So einfach war es!
Nur schlug die Blonde nicht zu. Sie hielt das Schwert noch erhoben und befand sich so in einer Wartestellung. Ich konnte mir vorstellen, dass sie meinen Tod hinauszögern wollte, um mich leiden zu lassen. Obwohl sie mir nicht den Eindruck gemacht hatte. Sie war sehr forsch gewesen und hatte sich stark in Szene gesetzt. Wie eine Herrscherin hatte sie auf dem Rücken des Riesenvogels gestanden, das Schwert mit beiden Händen schwingend.
Ich hatte das Gesicht verzogen. Mein Mund stand offen. Ich atmete, aber ich hörte es kaum, weil ich mich einzig und allein auf den Schlag konzentrierte. Und ich empfand in dieser Zeitspanne, die kurz, aber trotzdem lang schien, nicht mal Todesangst.
Nur jeder Tropfen Schweiß, der zu Boden fiel, zeugte davon, wie es mir ging.
Myxin stand noch immer am gleichen Fleck. Den Kopf zu mir gedreht, um zu schauen wie ich meinen Kopf verlor, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Myxin, der kleine Magier! Ausgerechnet er. Es war nicht zu fassen. Ich konnte mir gegen den Kopf schlagen, denn Myxin war ein Freund und kein Feind oder neutraler Beobachter.
Nach anfänglichen Auseinandersetzungen hatten wir uns zusammengerauft. So war eine Freundschaft entstanden, bei der sich der eine auf den anderen hundertprozentig verlassen konnte. Das schien vorbei zu sein. Aber, so fragte ich mich, was hatte Myxin davon, wenn er mich dem Tod überließ?
Nichts, gar nichts.
Er würde sein Spiel allein oder zusammen mit Kara, der Schönen aus dem Totenreich, durchziehen. Ansonsten war all das, was wir uns aufgebaut hatten, vergessen.
Er schaute nur - stand da und schaute.
Ich kniete, aber ich hatte meine Augen verdreht, sodass ich ihn ansehen konnte.
Oder war die Zeit möglicherweise angehalten worden, so wie Suko es durch seinen Stab schaffte?
Ich hatte keine Ahnung, aber der innere Druck wollte nicht verschwinden. Zwar wünschte ich es mir nicht, dass Sina zuschlug, aber es musste irgendwann eine Lösung geben. Alles andere konnte ich vergessen - wie mich selbst.
Die Blonde schlug noch immer nicht zu. Ich hörte auch den Riesenvogel nicht, aber ich sah Myxin, und ich sah den kleinen Magier plötzlich richtig oder mit anderen Augen, denn mir fiel bei ihm in diesem Moment etwas auf.
Er schaute nicht mich an, um mich sterben zu sehen, er blickte über meinen Kopf und über den Körper hinweg, denn sein Ziel war die Blonde hinter mir.
Und es lag etwas in den Augen meines Freundes, das ich bisher übersehen hatte. Im ersten Moment konnte man darüber erschrecken, denn die Augen waren nicht mehr normal. Sie hatten eine andere Färbung bekommen, und es gab da keine Pupillen mehr, dafür jedoch eine grünliche und kalt wirkende Farbe.
Er stand nur da und starrte über mich hinweg. Sein Ziel war die Blonde, und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Myxin war ein Magier. Er war jemand, der den Menschen überlegen war. Er besaß die Kräfte, von denen andere nur träumen konnten.
Telekräfte, geheimnisvoll, kaum enträtselt. Telepathie, Teleportation, Telekinese, möglicherweise. Das alles stand noch nicht fest, weil ich nicht so viel über den kleinen Magier wusste, aber es gab sie einfach, und ich musste mich damit abfinden, was in diesem Fall natürlich grandios war.
Er hatte mir das Leben gerettet!
Plötzlich war mir klar, dass ich nicht sterben würde. Es ging nicht, denn Myxin würde es verhindern. Er hatte es schon verhindert, denn die hinter mir stehende Blonde war nicht in der Lage, mir den Kopf abzuschlagen.
Sie musste dort wie eingefroren stehen, gebannt durch die Macht des kleinen Magiers. Es war verrückt. Es war ein Wahnsinn. Ich hätte plötzlich lachen können, aber ich riss mich zusammen, obwohl es mir schwer fiel, denn so etwas musste normalerweise einfach raus, um einem Menschen die Sicherheit zurückzugeben.
Alle waren
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