Die Knochen der Goetter
nach.
»Katze«, flüsterte sie. »Junge, hast du mir eine lebendige Katze gegeben?«
»Nein«, rief Nauri. »Spürt doch, sie atmet ja nicht. Sie ist aus Wachs.«
Die Pharaonin nickte. »Ja. Und doch ist sie lebendig.« Anchetcheprure schlug die Augen wieder auf. »Du hast deine Königin berührt mit deiner Arbeit, Goldschmied Suleiman. Du hattest also doch andere Katzen.«
»Aber die habe ich gemacht«, rief Nauri stolz.
Die Pharaonin blickte den Jungen an. »Du, ein Kind?«
Suleiman legte schützend seine Arme um Nauris Schultern. »Er hat sie mit der Freiheit eines Kindes gemacht, Königin. Verzeiht ihm.«
Doch Anchetcheprure schüttelte den Kopf. »Ich werde ihm niemals verzeihen. Das werde ich nicht müssen. Ich werde ihm danken. Du, Suleiman, mach mir eine Katze nach der Katze deines Sohnes. Sie soll sein wie die schönsten Katzen Ägyptens. Nicht golden, wie die ewig gleichen Götterstatuen. Nein, sie soll silbern sein wie das Mondlicht auf dem Nil. Darum mache sie mir aus den Knochen der Götter.«
Suleiman erbleichte. »Königin, woher soll ich diese seltene Kostbarkeit nehmen? Ich habe nur das Gold, was ihr hier seht.«
»Sorge dich darum nicht«, entgegnete Anchetcheprure. »Ihr bekommt die Knochen der Götter von mir. Mahu wird sie euch bringen. Und damit die Katze geschaffen werden kann, wie sie sein soll, gebe ich dir dazu die Freiheit und alles Gold, was in deinem Haus ist. Du wirst mir die Katze selbst in den Palast bringen und sie nur mir geben. Sobald du dies getan hast, kannst du mit deinem Sohn gehen, wohin du willst.« Die Pharaonin wandte sich dem Priester zu. »Mahu, Ihr habt mich gehört.«
Der Priester stand reglos und bleich da. »Ich höre die Königin.«
»Der Nil nimmt unsere Worte mit, aber ihr Sinn bleibt bestehen«, sagte Anchetcheprure. »Ihr werdet ausführen, was Ihr hörtet.«
Mahu verbeugte sich. Dann wandte er sich Suleiman zu.
»Ich werde dir die Knochen der Götter bringen lassen.«
Suleiman sah auf. Und plötzlich leuchteten seine Augen. »Göttliche Königin! Ihr werdet eine Katze mit einer Seele erhalten. Sie wird sein wie die Katze meines Sohnes Nauri, deren Seele Ihr gespürt habt.«
Die Pharaonin erhob sich.
Weder sie noch Suleiman oder Nauri bemerkten, wie sich Mahus Brauen finster zusammenzogen.
Unmittelbar darauf wandelte sich das Bild.
Nauri stand alleine neben seinem Vater in der Werkstatt und sah zu, wie dieser einen großen Klumpen Silbererz mit seinem Mahlstein zerkleinerte.
Neugierig fasste Nauri nach dem grau funkelnden Metall, das sich zwischen den Steinbrocken befand. »Die Knochen der Götter! Es glänzt viel weniger als Gold.«
»Es ist viel seltener. Und was selten ist, ist oft kostbar«, murmelte sein Vater.
Suleiman besah sich ebenfalls die Silberstücke, die er herausgemahlen hatte. Dann nahm er Nauris Wachsfigur in die Hand.
»Die Pharaonin hat recht, du bist ein Künstler, mein Sohn. Du hast deine Seele und deine Freiheit in diese Arbeit gelegt.«
»Ich habe dir immer zugeschaut, Vater. Und deine Skulpturen haben mich gelehrt, was ich tun kann.«
Suleiman schüttelte den Kopf. »Was du hier getan hast, habe nicht ich dich gelehrt.« Er deutete auf eine der goldenen Katzen, die sich ein wenig von den anderen Katzen, die er angefertigt hatte, unterschied. »Bei dieser Figur habe ich mir gestern selbst mehr freien Lauf gelassen. Ich habe ihr Ohrringe gegeben, wie sie die Frauen in unserem Land tragen. Trotzdem sieht sie immer noch fast so aus wie eine von Mahus Katzen. Deine Arbeit ist sehr viel stärker.«
»Was willst du mit dieser machen?«, fragte Nauri.
»Ich habe sie für die Königin gemacht. Sie soll sie mit deiner Katze bekommen. Sie ist die Göttin. Dann wird sie von uns das Fleisch und die Knochen der Götter erhalten.«
»Und die Kraft unserer Seelen«, sagte Nauri ernst.
Dann machte sich Suleiman an die Fertigung der silbernen Katze.
In einer Wanne über einem Feuer machte er das Silber flüssig. Währenddessen erklärte er seinem Sohn, was er tat. »Das Geheimnis der Figur, Nauri, ist deine Katze. Wir haben Glück, dass du sie aus Wachs geformt hast. Wir müssen nur noch etwas hinzufügen.«
Suleiman griff sich etwas Bienenwachs und setzte Nauris Figur einen langen, schmalen Trichter als Hut auf den Kopf. Dann tat er das Gleiche mit einem Trichter am unteren Ende der Figur, den er mit dem breiten Ende an der Katze ansetzte.
»Hier oben«, erklärte er, »werden wir später das weiße Metall einfließen
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