Die Knochenleserin
Augen traten, blinzelte sie sie weg. »Aber eigentlich habe ich damit gerechnet. Kistles Gesichtsausdruck, als er mir auf meine Frage, wo Bonnie begraben sei, nur ausgewichen ist, hat mich in meiner Angst bestätigt, dass er mich in Bezug auf Bonnie von Anfang an belogen hat. Gott, nach diesem Fehlschlag weiterzusuchen, das wird hart.«
»Dann lass es doch.«
Sie schüttelte den Kopf. »Kistle war nicht der einzige Name, den Montalvo mir genannt hat. Es gab noch zwei weitere.«
»Und du denkst jetzt schon an den nächsten Mann auf der Liste. Ich habe es kommen sehen. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe –« Er wiegte sie schmerzerfüllt. »Diesmal war es zu schlimm, Eve. Es hat dich fast umgebracht. Und auch ein Teil von mir ist so gut wie gestorben. Ich kann Bonnie nicht lieben. Es tut mir leid, aber so ist es nun mal. Und ich weiß nicht, ob ich noch einmal mit ansehen kann, wie du durch so eine Hölle – ich spüre, wie du ganz starr wirst in meinen Armen. Tu das nicht.«
Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn von sich wegschob. Es war eine instinktive Abwehrreaktion, weil seine Worte sie in Panik versetzten. »Ich kann nicht anders.« Sie gab ihm einen Kuss und trat einen Schritt zurück. Es war das Letzte, was sie tun wollte. Sie wollte in seinen Armen bleiben, ihn davon überzeugen, dass er immer bei ihr bleiben musste. Aber es gelang ihr nicht. Sie wusste nicht, wie oft sie schon unbewusst versucht hatte, ihn umzustimmen, ihn bei sich zu behalten. Es war ihm gegenüber nicht fair. Wenn sie ihn nur quälte, musste sie ihn freigeben. »Und ich kann dir dabei nicht helfen, Joe.« Zitternd fügte sie hinzu: »Das ist allein deine Entscheidung.« Sie ging zur Küche. »Aber triff sie nicht, solange du noch vollkommen erschöpft bist und deine Nerven blank liegen. Lass uns morgen darüber sprechen. Ich habe eine Kanne Kaffee gemacht. Lass uns einfach noch ein bisschen zusammensitzen und reden, und dann gehen wir schlafen.« Sie goss Kaffee in eine Tasse. »Der ist ohne Koffein, aber ich glaube, das spielt ohnehin keine große Rolle. Wir werden bestimmt tief und fest schlafen.«
Er nickte. »Als ich hergekommen bin, habe ich gesehen, dass Montalvos Zeltlager schon weg ist.«
»Ja, er hat Miguel ins Krankenhaus gebracht und es danach allein abgebaut.«
Joe schaute in seine Kaffeetasse. »War er hier, um dir das zu erzählen?«
»Ja, und um mir zu sagen, wie dankbar er ist, dass du ihm das Leben gerettet hast.«
»Ich hätte den Scheißkerl dem Alligator überlassen sollen.«
Sie lächelte. »Er hat mir auch erzählt, dass du es nicht freiwillig getan hast.«
»Da hat er allerdings recht.«
»Aber er meinte, es würde keine Rolle spielen und er wolle dein bester Freund werden.«
»Was für ein Arschloch.« Er trank einen Schluck Kaffee. »Bisher haben wir fünfzehn Opfer identifiziert. Wir werden versuchen, die anderen über ungelöste Fallberichte zu finden, aber bei einigen kann es sein, dass wir deine Hilfe brauchen.«
Sie nickte. »Vielleicht könnte ich auch Megan fragen, ob sie sich noch an die Namen derer, zu denen die Stimmen gehörten, erinnern kann. Vielleicht nützt das was.«
»Wir werden jede Hilfe annehmen, die wir bekommen können.« Er warf ihr einen Blick über den Tisch zu. »Selbst die von Megan Blair.«
»Du hast ihr geglaubt, Joe. Du wolltest ihr vielleicht nicht glauben, aber du hast es getan.«
»Ja, ich habe ihr geglaubt.« Er verzog das Gesicht. »Aber das heißt nicht, dass ich ihr auch beim nächsten Mal glauben würde. Ich würde extrem auf der Hut sein.«
»Etwas anderes würde ich auch nicht von dir erwarten.« Sie wandte den Blick von ihm ab. »Aber zumindest bist du bereit zu akzeptieren, dass nicht alles so ist, wie es dir erscheint. Das ist doch schon mal ein kleiner Fortschritt.«
»Ich weiß nicht, was ich akzeptieren würde und was nicht. Mein gesunder Menschenverstand sagt mir, ich sollte von diesem ganzen Zeug überhaupt nichts glauben. Wie gesagt, wenn ich erst mal Zeit finde, die Geschehnisse zu analysieren, wird es ihr vermutlich schwerfallen, mich zu überzeugen.«
»Ich nehme nicht an, dass es dazu kommen wird. Megan wird sich in absehbarer Zeit nicht noch einmal für einen solchen Fall einspannen lassen. Dieser Fall hätte sie das Leben kosten können, wenn du sie auf der Rückfahrt zur Anlegestelle nicht gewärmt hättest. Sie befand sich in einem extremen Schockzustand.«
»Was hätte ich denn sonst tun sollen?« Er kippte den Rest Kaffee
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