Die Knopfmacherin
forderte Maximilian I. sie auf.
Melisande trug ihre Geschichte mit ruhiger, lauter Stimme vor, doch innerlich zitterte sie wie Espenlaub. Dem Blick des Königs zu begegnen, wagte sie nicht. Ringsherum ertönte ein Raunen. Nun erfuhr alle Welt, was in der verhängnisvollen Nacht geschehen war.
Der König, der so manches gewöhnt war, erstarrte wie alle anderen auch. Nachdem Melisande geendet hatte, blickte er zum Bischof hinüber, der auf einmal kreidebleich war.
»Sagt, habt Ihr Eure Leute das wirklich tun lassen?«
Ludwig von Helmstatt wirkte, als würde er jeden Moment aus dem Sattel kippen.
»Das ist eine Lüge!«, schnarrte es plötzlich.
Erschrocken sah Melisande, wie Katharinas Ehemann durch die Menge drängte. Seine Gestalt glich der des Mannes, der sie vor einem Jahr im Stall des Knopfmachers beinahe vergewaltigt hätte.
»Die Eltern dieses Weibes haben Verräter beherbergt! Wir haben bloß unsere Pflicht getan.«
Melisande beobachtete, wie Katharina versuchte, ihn zurückzuhalten, doch da taumelte Lohweihe bereits auf die Straße. Ihm war anzusehen, dass er bereits zu viel Wein genossen hatte.
»Das ist der Mann, der mich entführt hat!«, meldete sich da Alina zu Wort und drängte nun ebenfalls nach vorn.
Ringsherum wurde Raunen laut. Lohweihe schien schlagartig nüchtern zu werden.
»Er hat mich ans Hurenhaus verkauft!«, schleuderte Alina mit hasserfülltem Blick dem Mann entgegen.
Lohweihe schnaubte spöttisch. Doch das verging ihm, als Melisande die Hand ausstreckte: »Erkennt Ihr diese Knöpfe hier wieder?«
Sein Mund klaffte auf. In diesem Augenblick vergaß er sogar zu leugnen.
»Den einen Knopf hat ihm mein Vater vom Wams gerissen, als er ihn umbrachte. Den anderen habe ich ihm vom Wams gerissen, als er versuchte, mich auf dem Hof von Meister Ringhand in Speyer zu vergewaltigen. Sagt selbst, sind das etwa nicht die Knöpfe eines Edelmannes?«
Lohweihe brauchte eine Weile, um das alles zu verkraften. »Das saugt dieses Weibsstück sich aus den Fingern! Glaubt Ihr kein Wort, Majestät!«
»Ihr wollt eine ehrbare Handwerksfrau der Lüge bezichtigen?« Braunfels machte aus seiner Abneigung gegen den Hauptmann keinen Hehl. »Eure Majestät, ich verbürge mich für die Wahrheit dieser Aussage!«
Der König betrachtete Melisande und die anderen eine ganze Weile. Natürlich hatte er von den Aufständen gehört. Doch mittlerweile war offenbar geworden, dass auch einige Unschuldige bei der Jagd nach den Rebellen zu Schaden gekommen waren.
»Nehmt den Mann in Gewahrsam!«, rief er, worauf seine Leibwächter sich sogleich auf Lohweihe stürzten.
Hinter ihnen schrie Katharina auf. Als sie nach vorn stürmte, wurde offenbar, dass sie ebenfalls ein Kind unter dem Herzen trug. Doch das schien den König nicht zu rühren.
»Melisande Bruckner«, sprach Maximilian I. die Knopfmacherin mit ihrem Mädchennamen an. »Ich werde Eure Klage prüfen lassen und dafür sorgen, dass Ihr entschädigt werdet, sofern alles der Wahrheit entspricht.«
»Ich fürchte keine Überprüfung, Eure Majestät, denn es hat sich alles so zugetragen, wie wir es Euch geschildert haben.«
»Dann seid mein Gast für diesen Tag!«
Maximilian I. winkte einige Pagen herbei, die ihnen Pferde brachten. Nachdem ihnen Braunfels aufmunternd zugezwinkert hatte, ließ Melisande sich in den Sattel helfen.
Mit offenen Augen und Mündern verfolgten die Schaulustigen, wie die junge Frau hinter dem König zum Dom ritt.
Melisande warf zunächst Alina und danach Bernhard einen glücklichen Blick zu. »Unser Kind wird stolz auf seine Großeltern sein.«
»Und auf seine Eltern«, fügte Alina hinzu. Der dunkle Schleier über ihren Augen war verschwunden.
»Was meinst du, werden wir Braunfels nun des Öfteren in der Werkstatt sehen?«, fragte Bernhard kurz darauf, als er neben seine Frau ritt.
»Das tun wir doch längst«, entgegnete Melisande verschmitzt, dann lächelte sie ihrer Schwester zu.
Die schlechten Jahre waren nun endgültig vergangen.
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