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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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wehzutun«, brülle ich mit brennendem Gesicht, über das Tränen und Rotz laufen. »Eines Tages werde ich groß genug sein, um dich umzubringen.«
    Vater lacht wieder. »Mein Schatz«, sagt er und zieht mich erneut in seine Arme. »Sieh nur, wie perfekt du bist. Du wirst mein Meisterstück werden.«
    Als Mama und Thiel durch die Geheimtür kommen, murmelt Vater mir etwas zu. Ich bin geborgen in seinen Armen, habe die Wange an seine Schulter gelehnt und frage mich, warum es im Zimmer nach Rauch riecht und meine Nase so schmerzt. »Bitterblue?«, sagt Mama ängstlich. Ich hebe das Gesicht. Sie macht große Augen, kommt zu mir und zieht mich von Vater weg. »Was hast du getan?«, fährt sie ihn an. »Du hast sie geschlagen, du Ungeheuer. Ich bringe dich um.«
    »Sei nicht albern, Liebling«, sagt Vater, während er aufsteht und über uns aufragt. Mama und ich sind so klein, so klein Arm in Arm, und ich bin verwirrt, weil Mama wütend auf Vater ist. »Ich habe sie nicht geschlagen. Du warst das«, sagt Vater zu Mama.
    »Ich weiß, dass ich es nicht war«, erwidert Mama.
    »Ich wollte dich davon abhalten«, sagt Vater, »aber es ist mir nicht gelungen und du hast sie geschlagen.«
    »Davon wirst du mich nie überzeugen.« Mamas Worte sind klar und deutlich. Ihre Stimme klingt schön in ihrer Brust, an die ich mein Ohr drücke.
    »Interessant.« Vater mustert uns einen Augenblick mit schräg gelegtem Kopf, dann sagt er zu Mama: »Sie ist in einem bezaubernden Alter. Es wird Zeit, dass wir uns besser kennenlernen. Ich werde Bitterblue von jetzt an Privatstunden geben.«
    Mama dreht sich, so dass sie zwischen mir und Vater steht. Ihre Arme um mich sind wie eiserne Riegel. »Das wirst du nicht. Raus hier. Raus aus diesen Räumen.«
    »Wirklich faszinierend«, sagt Vater. »Was, wenn ich dir sagen würde, Thiel hätte sie geschlagen?«
    » Du hast sie geschlagen«, entgegnet Mama, »und jetzt gehst du.«
    »Wunderbar!« Vater geht auf Mama zu. Seine Faust kommt aus dem Nichts, er boxt sie ins Gesicht und Mama stürzt zu Boden. Ich falle wieder, aber diesmal in Wirklichkeit, falle mit Mama. »Räumt ein bisschen auf, wenn ihr wollt«, sagt Vater. Er steht über uns und stößt uns mit dem Zeh an. »Ich muss nachdenken. Wir setzen dieses Gespräch später fort.«
    Vater ist weg. Thiel beugt sich über uns. Aus den frischen Schnitten auf seinen Wangen tropfen blutige Tränen auf uns herab. »Ashen«, sagt er. »Ashen, es tut mir leid. Prinzessin Bitterblue, vergeben Sie mir.«
    »Sie haben sie nicht geschlagen, Thiel«, sagt meine Mutter mit schwerer Stimme, während sie sich aufrappelt, mich auf ihren Schoß zieht und mich wiegt, mir Koseworte ins Ohr flüstert. Ich klammere mich weinend an sie. Überall ist Blut. »Helfen Sie ihr bitte, Thiel«, sagt Mama.
    Thiels ruhige, sanfte Hände berühren meine Nase, meine Wangen, meinen Kiefer; seine wässrigen Augen untersuchen mein Gesicht. »Nichts gebrochen«, sagt er. »Jetzt zeigen Sie mal Ihr Gesicht, Ashen. Oh, ich bitte Sie eindringlich um Verzeihung.«
    Wir kauern alle zusammen weinend auf dem Fußboden. Die Worte, die Mama mir zuflüstert, sind die ganze Welt. Als Mama wieder mit Thiel redet, klingt ihre Stimme müde. »Sie haben nichts getan, was Sie hätten verhindern können, Thiel, und Sie haben sie nicht geschlagen. All dies hat Leck zu verantworten. Bitterblue«, sagt Mama dann zu mir, »ist dein Verstand klar?«
    »Ja, Mama«, flüstere ich. »Vater hat mich geschlagen und dann dich. Er will mich zur perfekten Königin formen.«
    »Du musst stark sein, Bitterblue«, sagt Mama. »Stärker denn je, denn es wird alles noch schlimmer werden.«



Königin Bitterblue hatte nie vorgehabt, so viele Leute zu belügen.
    Alles begann mit dem Prozess um den Verrückten und die Wassermelonen am Obersten Gericht. Der Betreffende namens Ivan lebte am Fluss Dell im Ostteil der Stadt in der Nähe des Handelshafens. Auf der einen Seite seines Hauses wohnte eine Steinmetzin, die Grabsteine fertigte und beschriftete, auf der anderen Seite lag das Wassermelonenbeet eines Nachbarn. Ivan hatte es im Dunkel der Nacht irgendwie geschafft, alle Wassermelonen des Beetes durch Grabsteine zu ersetzen und alle Grabsteine auf dem Grundstück der Steinmetzin durch Wassermelonen. Dann hatte er bei beiden Nachbarn kryptische Anweisungen unter der Tür durchgeschoben, um sie auf eine Art Schnitzeljagd nach ihren abhandengekommenen Gegenständen zu schicken – ein Unterfangen, das in dem einen Fall

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