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Die Königliche (German Edition)

Die Königliche (German Edition)

Titel: Die Königliche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Cashore
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andere als glücklich.
    »Wir verfügen nicht über unerschöpfliche Mittel, Königin«, sagte Thiel, der mit seinen stahlgrauen Haaren und stahlgrauen Augen wie ein Gletscher vor ihrem Schreibtisch stand. »Sobald Sie in der Öffentlichkeit eine solche Erklärung abgegeben haben, lässt sie sich schlecht zurücknehmen.«
    »Aber, Thiel, warum sollten wir sie zurücknehmen? Ist es nicht erschreckend, von einer Straße in der Oststadt zu erfahren, in der die Menschen nicht lesen können?«
    »Es wird immer den einen oder anderen Analphabeten in der Stadt geben, Königin. Das ist kaum eine Angelegenheit, die der direkten Einmischung durch die Krone bedarf. Sie haben jetzt einen Präzedenzfall geschaffen, der nahelegt, dass der Hof für die Bildung aller Bürger zuständig ist, die von sich behaupten, nicht lesen zu können!«
    »Meine Bürger sollten tatsächlich die Möglichkeit haben, sich deswegen zu melden. Mein Vater hat ihnen fünfunddreißig Jahre lang den Zugang zu Bildung verwehrt. Die Krone ist dafür verantwortlich, dass sie nicht lesen können!«
    »Aber wir haben weder die Zeit noch die Mittel, das auf einer individuellen Basis anzugehen, Königin. Sie sind keine Lehrerin; Sie sind die Königin von Monsea. Was die Leute jetzt brauchen, ist, dass Sie sich entsprechend verhalten, damit sie das Gefühl haben, in guten Händen zu sein.«
    »Wie auch immer«, mischte sich ihr Ratgeber Runnemood ein, der in einer der Fensternischen saß, »fast alle Bewohner Monseas können lesen. Und ist Ihnen nie der Gedanke gekommen, Königin, dass diejenigen, die es nicht können, es vielleicht gar nicht wollen? Die Leute in Ivans Straße haben Geschäfte und Familien, für die sie sorgen müssen. Woher sollen sie die Zeit für Unterrichtsstunden nehmen?«
    »Woher soll ich das wissen?«, rief Bitterblue aus. »Was weiß ich schon von den Menschen und ihren Geschäften?«
    Manchmal fühlte sie sich hinter diesem Schreibtisch mitten im Zimmer sehr verloren, hinter diesem Schreibtisch, der so groß war verglichen mit ihr selbst. Sie konnte jedes Wort hören, das ihre Ratgeber taktvoll verschwiegen: dass sie sich zum Narren gemacht hatte; dass sie gezeigt hatte, dass die Königin zu jung, dumm und naiv für ihre Stellung war. Ihre Worte vorhin waren ihr wie etwas Mächtiges vorgekommen. War ihr Instinkt so miserabel?
    »Schon gut, Bitterblue«, sagte Thiel, sanfter jetzt. »Wir können es dabei belassen.«
    Dass er ihren Namen statt ihres Titels verwandte, war eine freundliche Geste. Der Gletscher war bereit sich zurückzuziehen. Bitterblue blickte in die Augen ihres obersten Ratgebers und sah, dass er sich Sorgen machte und Angst hatte, zu streng mit ihr ins Gericht gegangen zu sein. »Ich werde keine Erklärungen mehr abgeben, ohne Sie vorher um Rat zu fragen«, sagte sie leise.
    »Na also«, erwiderte Thiel erleichtert. »Sehen Sie? Das ist eine weise Entscheidung. Und Weisheit ist königlich, meine Königin.«
    Etwa eine Stunde lang hielt Thiel sie hinter Bergen aus Papier fest. Runnemood dagegen ging vor den Fenstern hin und her, brach angesichts des rosafarbenen Abendlichts in Begeisterung aus, wippte auf den Fußballen und lenkte sie mit Erzählungen von überaus zufriedenen Analphabeten ab. Schließlich verschwand er glücklicherweise zu irgendeinem abendlichen Treffen mit Lords aus der Stadt. Runnemood war ein gut aussehender Mann und ein unabkömmlicher Ratgeber – er war der Geschickteste darin, Minister und Lords abzuwimmeln, die die Königin mit Bitten, Beschwerden und Ehrerbietungen behelligen wollten. Aber das lag daran, dass er selbst auch recht aufdringlich sein konnte. Sein jüngerer Bruder Rood war ebenfalls einer von Bitterblues Ratgebern. Die beiden Brüder, Thiel und ihr Sekretär und vierter Ratgeber Darby waren alle um die sechzig, obwohl man Runnemood sein Alter nicht ansah. Den anderen schon. Alle vier waren bereits Lecks Ratgeber gewesen. »Waren wir heute unterbesetzt?«, fragte Bitterblue Thiel. »Ich kann mich gar nicht erinnern, Rood gesehen zu haben.«
    »Rood ruht sich heute aus«, sagte Thiel. »Und Darby fühlt sich nicht wohl.«
    »Aha.« Bitterblue verstand, was das in Wirklichkeit bedeutete: Rood hatte eine seiner Nervenkrisen und Darby war betrunken. Sie legte kurz die Stirn auf den Schreibtisch, um nicht laut loszulachen. Was würde ihr Onkel, der König von Lienid, vom Zustand ihrer Ratgeber halten? König Ror hatte diese Männer zu ihrem Stab gemacht, weil er sie auf Grund ihrer

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