Die Kunst des Krieges
Vorwort
Sunzi schrieb dieses außergewöhnliche Buch vor zweieinhalbtausend Jahren in China. Es beginnt mit den Worten:
Die Kunst des Krieges ist für den Staat von entscheidender Bedeutung. Sie ist eine Angelegenheit von Leben und Tod, eine Straße, die zur Sicherheit oder in den Untergang führt. Deshalb darf sie unter keinen Umständen vernachlässigt werden.
Es schließt mit den Worten:
So wird der erleuchtete Herrscher und der weise General die Intelligentesten seiner Armee als Spione einsetzen und auf diese Weise hervorragende Erfolge erzielen. Spione sind ein äußerst wichtiges Element des Krieges, denn von ihnen hängt die Fähigkeit der Armee ab, sich zu bewegen.
Ich bin der Überzeugung, daß unsere militärischen und politischen Führer der jüngsten Vergangenheit dieses geniale Werk hätten studieren sollen, denn dann wäre in Vietnam nicht das passiert, was passiert ist; wir hätten den Koreakrieg nicht verloren (wir haben ihn verloren, weil wir nicht den Sieg errangen); das Desaster in der Schweinebucht wäre nicht geschehen; es wäre nicht zum Geiseldrama im Iran gekommen; das britische Empire wäre nicht verstümmelt worden; und aller Wahrscheinlichkeit nach wären die beiden Weltkriege vermieden worden - mit Sicherheit aber wären sie nicht geführt worden, wie sie geführt wurden, und die Millionen junger Menschen, die von Ungeheuern, die sich Generäle nannten, so unnötig und unüberlegt in den Tod geschickt wurden, hätten ihr Leben leben können.
Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.
Ich finde es erstaunlich, daß Sunzi vor fünfundzwanzig Jahrhunderten so viele Wahrheiten schrieb, die heute noch gültig sind - besonders in dem meiner Meinung nach außergewöhnlichen Kapitel über den Einsatz von Spionen. Ich glaube, dieses kleine Buch zeigt deutlich, was heute noch falsch gemacht wird und warum unsere heutigen Gegner in manchen Gebieten so erfolgreich sind. (Sunzi ist in der politisch-militärischen Hierarchie der Sowjetunion Pflichtlektüre; das Buch ist seit Jahrhunderten in Rußland erhältlich, und es ist auch, beinahe Wort für Wort, die Quelle von Mao Tse-tungs Schrift über die militärischen Prinzipien der chinesischen Roten Armee.) Für noch wichtiger halte ich die Tatsache, daß Die Kunst des Krieges recht deutlich zeigt, wie man die Initiative ergreift und den Feind bekämpft - jeden Feind.
Sunzi schreibt: Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten.
Ähnlich wie Machiavellis Der Fürst und Miyamoto Musashis Das Buch der fünf Ringe zeigen auch Sunzis hier wiedergegebene Einsichten den Weg zum Sieg bei allen geschäftlichen Konflikten, bei Schlachten im Aufsichtsrat und im alltäglichen Kampf ums Überleben, in den wir alle verwickelt sind - sogar im Kampf der Geschlechter! Dies alles sind Formen des Krieges, und alle folgen denselben Regeln - seinen Regeln. Zum erstenmal hörte ich 1977 beim Rennen im Happy Valley in Hongkong von Sunzi. Ein Freund, P. G. Williams, ein Kellner im Jockey Club, fragte mich, ob ich das Buch gelesen hätte. Ich verneinte, und er erwiderte, daß er mir am nächsten Tag ein Exemplar schicken wolle. Als das Buch ankam, blieb es zunächst ungelesen liegen. Eines Tages dann, nach mehreren Wochen, nahm ich es wieder in die Hand. Ich war schockiert, daß ich, obwohl ich so viel über Asien, besonders über Japan und China, gelesen hatte, noch nie auf das Buch gestoßen war. Seitdem ist es mein ständiger Begleiter, und es hat meine Arbeit an Noble House Hongkong so sehr beeinflußt, daß viele Charaktere sich auf Sunzi und sein Meisterwerk beziehen. Ich halte Sunzis Schrift für einzigartig, und deshalb kam es zu dieser Ausgabe seines Buches. Leider ist über den Mann selbst nur wenig bekannt. Wir wissen nicht, wann er die dreizehn Kapitel niederschrieb. Manche datieren sie auf das Jahr 500 v. Chr., in die Zeit des Königreichs von Wu, manche auch auf etwa 300 v. Chr. Etwa um 100 v. Chr. schrieb Sima Qian, einer seiner Chronisten, diese Biographie:
Sunzi, dessen Vorname Wu war, stammte aus dem Staate Qi. Sein Buch Die Kunst des Krieges erregte die Aufmerksamkeit Helus, des Königs von Wu. Helu sagte zu ihm: »Ich habe deine dreizehn Kapitel sorgfältig studiert. Darf ich deine Theorie über die Führung von Soldaten einer kleinen Prüfung unterziehen?« Sunzi erwiderte: »Das dürft Ihr.« Der König fragte: »Darf sich die
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