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Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat

Titel: Die Legende Der Wächter 07: Der Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Bestimmung, das spürte er … auch wenn er nicht ganz sicher war, was „Bestimmung“ bedeutete.
    Nyroc war nicht nur ein äußerst talentierter Flieger, er besaß auch die Begabung, unliebsame Gedanken zu verdrängen. Vermutlich war es diese Fähigkeit, die ihn als Nachwuchstytone gegenüber seinen Altersgenossen auszeichnete. Genauso machte er es auch diesmal: Er verdrängte Nyras Wutanfall und freute sich über seinen Erfolg bei der Flugprüfung.
    Nyra war eine strenge Lehrerin gewesen, aber dafür liebte Nyroc sie jetzt umso mehr. Als er an seine ersten Unterrichtsstunden dachte, musste er lachen beziehungsweise nach Eulenart tschurren. Seit der Großen Brandschlacht gab es in seiner Heimat, einer ohnehin beinahe baumlosen, von tiefen Schluchten durchzogenen Gebirgslandschaft, nur noch verkohlte Stümpfe. Wenn ein Eulenkind nicht gerade in der Wüste aufwuchs, bereitete es sich auf das Fliegen vor, indem es als „Ästling“ von einem Ast zum anderen hüpfte. Diese Möglichkeit hatte Nyroc nicht. Er übte stattdessen, von einem Felsvorsprung zum nächsten zu hüpfen. Das fiel ihm leicht. Schon nach einem Tag flatterte er munter zwischen den Felsen umher. Doch Nyra trieb ihn an, schneller zu fliegen, und nörgelte an seinen Kurven herum, die angeblich aussahen „wie bei einer besoffenen Taube“.
    Als Nyroc an diesen Ausspruch seiner Mutter dachte, tschurrte er wieder. Schneller zu fliegen war kein Problem, bloß machte es solchen Lärm. Wenn man langsamer flog, sorgten die feinen Fransen am Rand der Federn für den eulentypisch lautlosen Flug. Nyra hatte das nicht einsehen wollen. Sie hielt sich selbst für eine schnelle und lautlose Fliegerin, dabei hörte man sie schon von Weitem kommen. Ihre Flügelschläge klatschten wie die einer Ente. Doch Nyroc gab nicht auf und schließlich gelang es ihm, Tempo und Geräuschlosigkeit zu vereinen. Auch das hatten die erwachsenen Eulen bei seiner Flugprüfung gelobt: „Er fliegt unglaublich schnell – aber man hört überhaupt nichts! Der Kleine ist ein Ausnahmetalent!“ Ein anderer Eulerich hatte bewundernd gesagt: „Flink wie ein Adler, lautlos wie eine Eule – genial! Mit solchen Kriegern kann unser Volk wieder erstarken und endlich die Herrschaft über die Eulenheit erlangen.“
    Auch Nyra hatte das Kompliment gehört und sich gefreut. Wenn man die neuen Rekruten nicht mitzählte, waren vom ursprünglichen Heer der Reinen gerade mal zwanzig Eulen übrig. Dennoch hatte Nyra das Ziel nicht aufgegeben, den Tytonenbund zum mächtigsten Eulenvolk der Welt zu machen. Zu Kludds Lebzeiten hatten die Reinen grandiose Siege errungen. Sie hatten Sankt Ägolius erobert, das als uneinnehmbare Festung galt, und den dortigen Tupfenvorrat in ihren Besitz gebracht. Tupfen waren in Bächen und Flüssen zu finden. Sie waren eine äußerst gefährliche Waffe, denn mit ihrer Hilfe konnte man andere Eulen zu willenlosen Sklaven machen. Die letzte Schlacht mit den Wächtern von Ga’Hoole hatten die Reinen trotzdem verloren, denn den Wächtern war es irgendwie gelungen, die Tupfen mittels Feuer zu vernichten.
    Nachdem sie ihren Sohn ausgeschimpft hatte, war Nyra ausgeflogen, weil sie noch etwas zu erledigen hatte. Jetzt kehrte sie in die Höhle zurück. Nyrocs unverschämte Frage hatte sie schon wieder vergessen. Sie berichtete ihm, dass die anderen Erwachsenen immer noch von seiner Vorstellung schwärmten. „Sie sind hingerissen, wie elegant und schnell du fliegst. Deine Technik ist wirklich beachtlich – was nicht heißt, dass du dich nicht noch verbessern kannst. Unsere jungen Rekruten sind älter als du und haben mehr Übung, aber alle wünschen sich, sie könnten auch so gut fliegen.“
    „Stimmt das, Mama?“
    „Aber natürlich. Du kannst wirklich stolz auf dich sein.“
    Nyroc überlegte kurz und erwiderte: „Ich bin erst stolz auf mich, wenn ich wie du und Papa bin.“ Er hätte Nyra nichts Schöneres sagen können. Sie strahlte.
    Nyroc dachte oft darüber nach, ob alle Eulenmütter so waren wie seine Mama. Vielleicht nicht. Aber andere Eulenkinder waren ja auch nicht wie er dazu bestimmt, Anführer ihres Volkes zu werden.
    „Weißt du“, fuhr seine Mutter fort, „es ist sehr wichtig, dass du alles so machst, wie ich es dir sage. Schließlich steht dein Tytari bevor, deine Große Feier .“
    Von dieser Feier hatte Nyroc keine rechte Vorstellung. Aus früheren Bemerkungen Nyras glaubte er herausgehört zu haben, dass die Feier irgendetwas mit dem Gefangenen zu tun

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