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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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bestimmt. »Kettricken hat dir vergeben. Ich habe die ganze Nacht mit ihr geredet, doch erst vor kurzem ist es mir gelungen, sie zu überzeugen. Sie beruft sich auf ihr Sippenrecht, innerhalb der Sippe nicht Blut mit Blut zu sühnen. Wenn sie als die Schwester des Getöteten dem Mörder vergibt, der ebenfalls ihr verwandt ist, darf nach unserem Gesetz auch niemand sonst Vergeltung fordern. Euer Edel hat versucht, sie davon abzubringen, doch sie wurde nur zornig. ›Hier und in diesem Palast bin ich die Königin-zur-Rechten und urteile nach dem Gesetz des Bergvolkes‹, beschied sie ihn, und König Eyod stimmte zu. Nicht, weil er nicht um Rurisk trauerte, sondern weil Gültigkeit und Weisheit des Gesetzes von Jhaampe respektiert werden müssen, von allen. Nun siehst du ein, daß du zurückkommen mußt.«
    Ich dachte nach. »Und habt Ihr mir vergeben?«
    »Nein«, schnaubte sie. »Dem Mörder meines Neffen werde ich niemals vergeben. Aber dir kann ich nicht etwas vergeben, was du nicht getan hast. Ich glaube nicht, daß du Wein trinken würdest, den du selbst vergiftet hast. Auch nicht einen Schluck. Wir, die wir die Geheimnisse der Gifte am besten kennen, fordern das Schicksal nicht heraus. Du hättest nur vorgetäuscht zu trinken und nie ein Wort über Gift verloren. Nein. Dies war die Tat eines Menschen, der sich selbst für sehr klug hält und alle anderen für sehr dumm.«
    Ich fühlte mehr, denn ich sah, wie Burrichs wachsame Haltung sich lockerte, aber ich war noch immer auf der Hut. »Weshalb verzeiht Kettricken mir nicht einfach und läßt mich meiner Wege gehen? Weshalb muß ich in den Palast zurückkommen?«
    »Wir haben keine Zeit für dieses Hin und Her!« zischte Jonqui, und es war das erste Mal, daß ich einen Chyurda wütend werden sah. »Soll ich dir lang und breit erklären, was ich über Ausgewogenheit weiß?
    Glaubst du, niemand kann spüren, wie die Waagschalen der Macht in diesem Augenblick aus dem Gleichgewicht geraten? Eine Prinzessin muß es hinnehmen, verschachert zu werden wie eine Kuh. Aber meine Nichte ist keine Figur auf einem Spielbrett. Wer immer meinen Neffen getötet hat, wollte auch dich tot sehen. Soll ich ihn diesen Wurf gewinnen lassen? Ich denke nicht. Ich weiß nicht, wem ich wünschen soll, daß er gewinnt, und bis ich es weiß, werde ich nicht zulassen, daß einer der Spieler ausscheidet.«
    »Das ist Logik nach meinem Geschmack«, bemerkte Burrich anerkennend. Er bückte sich und zog mich mit einem Ruck vom Boden hoch. Die Welt schwankte besorgniserregend. Jonqui stützte mich auf der anderen Seite. Sie beide gingen, und meine Füße bewegten sich wie die einer Marionette über den Boden. Nosy erhob sich und folgte uns.
    Burrich und Jonqui führten mich ohne Umwege durch die Menschenmenge und den Großen Saal in mein Gemach. Tatsächlich erregte unsere kleine Prozession kaum Aufsehen. Ich war nur ein Fremdländer, der in der letzten Nacht zu reichlich dem Rauch und dem Wem zugesprochen hatte. Die Festgäste waren vollauf damit beschäftigt, gute Plätze zu finden, von denen aus sie einen ungehinderten Ausblick auf das Podium hatten. Es herrschte keine Atmosphäre der Trauer, deshalb nahm ich an, daß man die Nachricht von Rurisks Tod noch nicht verkündet hatte. Als wir endlich in meinem Zimmer anlangten, verdüsterte sich Jonquis Gesicht.
    »Das ist nicht mein Werk! Ich habe mir nur ein Nachthemd genommen, damit Ruta Witterung aufnehmen konnte.«
    ›Das‹ war das Chaos in dem Raum. Man hatte ihn gründlich, allerdings nicht eben diskret durchsucht. Jonqui machte sich sofort daran, Ordnung zu schaffen, und nach kurzem Zögern half Burrich ihr dabei. Ich setzte mich und versuchte, aus der Situation klug zu werden. Nosy rollte sich in einer Ecke zusammen, und ohne mir dabei etwas zu denken, spürte ich nach ihm, um ihn zu trösten. Sofort schaute Burrich zu mir her, dann auf den tieftraurigen Hund. Er wandte den Blick ab. Als Jonqui ging, um Waschwasser für mich zu holen und etwas zu essen, fragte ich Burrich: »Habt ihr eine kleine Holzschatulle gefunden? Mit eingeschnitzten Eicheln?«
    Er schüttelte den Kopf. Also hatten sie meinen Giftkasten gestohlen, und ich war der Möglichkeit beraubt, zu meinem Schutz wieder einen Dolch zu vergiften oder auch nur ein Pulver zu mischen, um es einem Angreifer ins Gesicht zu werfen. Burrich konnte nicht immer in meiner Nähe sein, und ich war nicht in der Verfassung, mich zur Wehr zu setzen oder wegzulaufen. Aber mein Handwerkszeug war

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