Die letzte Rune 05 - Der Tod der Götter
richtigen Platz. Lirith hatte Recht, sie hätte Durge niemals anzweifeln dürfen. »Darum habt Ihr die Goldmünze in dem Abwasserkanal gefunden.«
»Das glaube ich«, sagte Durge. »Doch ich habe keine Münze gefunden, sondern ein Stück Rohmetall. Ich hätte es gleich erkennen müssen, bei den glatten Seiten. Ich benutze bei meinen alchemistischen Arbeiten Bleirohlinge. Goldrohlinge werden bei der Schmuckherstellung verwendet. Gebs Anhänger müssen das Gold gestohlen und durch die Abwasserkanäle unter der Stadt transportiert haben, und in ihrer Eile haben sie das Stück Rohmetall fallen gelassen.«
Falken fuhr sich mit einer Hand durch das graue Haar. »Einen Moment, Durge. Wenn Sif mit Geb einen Handel abgeschlossen hat, um Ondos Gold zu stehlen, warum hat er dann Geb getötet? Es würde doch keinen Sinn machen, seinen Komplizen zu ermorden.«
»Nein, das würde es nicht«, sagte Durge. »Es sei denn, Geb hat Sif betrogen und das Gold behalten. Schließlich ist Geb nicht nur der Gott der Bettler, sondern auch der der Diebe.«
Falken schlug sich mit der behandschuhten Hand an die Stirn. »Natürlich! Darum haben sich Gebs Anhänger versteckt. Sie hätten in Massen auf den Straßen sein müssen, den Tod ihres Gottes dazu benutzen sollen, um Mitleid und Wohltätigkeit zu erringen, stattdessen haben sie sich in den Tiefen der Abwasserkanäle versteckt. Sie wollen nicht, dass die Goldschmiedegilde herausfindet, dass sie mit Ondos Mörder unter einer Decke gesteckt haben, und sie wollen nicht, dass Sif sich an ihnen rächt, so wie er es mit ihrem Gott gemacht hat. Oder dass er herausfindet, wo sie das Gold versteckt haben.«
Melia ging vor dem Fenster auf und ab, die kleinen Hände zu Fäusten geballt. »Ich hätte es erkennen müssen! Sif hat schon immer gern Netze gespannt.« Sie trat auf Durge zu. »Danke«, sagte sie einfach, und der Ritter machte vor ihr eine tiefe Verbeugung.
»Da gibt es immer noch eine Sache, die ich nicht verstehe«, sagte Lirith. »Melia, Ihr habt uns doch erzählt, dass es in der ganzen Geschichte von Tarras niemals dazu gekommen ist, dass ein Gott einen anderen getötet hat. Wie konnte Sif dann sowohl Ondo als auch Geb töten?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Melia mit leuchtenden Augen. »Aber ich werde es herausfinden. Lasst uns sofort zum Tempel von Sif gehen. Ich werde diesen Priestern …«
Ein energisches Klopfen an der Tür unterbrach Melia. Falken öffnete sie, und ein schmächtiger junger Mann eilte herein und stolperte, als sich sein Zeh im Saum seiner schlichten weißen Robe verfing.
»Landus!«, rief Aryn aus, dann bedauerte sie ihre Unhöflichkeit. Landus war zwar nicht die letzte Person, von der sie erwartet hätte, dass sie durch die Tür gestolpert kam, aber er hatte sich mit Sicherheit ganz weit unten auf der Liste befunden.
Durge fing den Akoluthen mit seinen starken Händen auf. Der junge Mann richtete hastig seine Robe und schaute auf. Aryn holte zischend Luft. Als sie Landus das letzte Mal gesehen hatte, hatte sein breites Gesicht einen fröhlichen Ausdruck getragen. Jetzt wirkte es auf eine seltsame Weise hart, seine freundlich blickenden braunen Augen waren glasig und tief eingesunken.
»Was ist los, Landus?«, fragte Falken.
Der junge Akoluth kämpfte um Worte. Er musste vom Vierten Kreis bis hierher gerannt sein. »Es … es ist … Orsith.«
Melia wich das Blut aus dem Gesicht, sie legte eine Hand an den Hals. »Landus, was ist geschehen? Sag mir sofort, dass es Orsith gut geht.«
»Es … es tut mir Leid, Eure Heiligkeit.«
Melia ließ sich auf ihren Stuhl fallen, ganz schlaff, wie ein zu Boden geworfenes Kleidungsstück.
»Vor kurzem überfiel mich ein Frösteln«, sagte sie leise. »Ich glaubte, es wäre nur die Nachtluft. Aber es war nicht die Luft, oder?«
Sie schaute zu Landus hoch, und das Gesicht des Akoluthen war eine Maske der Trauer.
»Nein, Eure Heiligkeit, das war es nicht.«
47
Die zahllosen Tempel des Zweiten Kreises funkelten im perlenweißen Licht des Mondes. Für Aryn sahen sie wie Beinhäuser aus, die in der Nacht leuchteten.
Die Straßen von Tarras waren nicht so belebt wie während der warmen Tagesstunden, aber selbst in der Kühle der Mitternacht waren sie alles andere als leer. Fackeln erhellten den Weg für betrunkene Feiernde, die von einem Fest zum nächsten taumelten. Aus hell erleuchteten Fenstern drang Musik und Gelächter heraus, allerdings waren die Laute irgendwie eher unheimlich als fröhlich. Von Zeit zu
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