Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

haben Ben ausfindig gemacht « , sagte Lew. » Er war es nicht. «
    » Ach so. « Sylvia umschlang sich mit ihren dünnen Armen. » Na dann. «
    » Diese Clubs « , sagte Julia kopfschüttelnd und verschränkte die Arme. » Ich werde heute noch in der Schule anrufen deswegen. Wir bezahlen zehntausende Dollar im Jahr, um unsere Kinder auf diese Schule zu schicken, und was kriegen wir dafür? Der Herr der Fliegen? «
    » Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Ma’am, Sie sollten die Schule anrufen. Das sollten alle Eltern tun. « Lew holte tief Luft, als wäre er erleichtert, dass der schlimme Teil des Gesprächs überstanden war. Kate fragte sich, ob der Seufzer echt war oder ob Lew nur versuchte, Sylvia dazu zu bringen, dass sie sich entspannte. » Und was ist mit Dylan? Gibt es einen bestimmten Grund, warum du sie bisher nicht erwähnt hast? «
    Kate wartete darauf, dass Sylvia Lew verwirrt oder besorgt anschaute. Aber ihr Blick war einfach nur leer.
    » Sie hat mir erst von Dylan erzählt, als es schon vorbei war « , sagte Sylvia schließlich. » Ich hab ihr gesagt, dieses Mädchen sei es nicht wert, dass sie sich wegen ihr so fertigmachte. Aber Amelia war total neben der Kappe wegen all dem und wollte Dylan unbedingt zurückhaben. Sie wollte einfach nicht auf mich hören. «
    » Neben der Kappe? « , fragte Kate.
    » Total durchgedreht. « Sylvia schüttelte den Kopf.
    » Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mit irgendjemandem darüber zu reden? Mit einem Erwachsenen? « , fauchte Kate. Es klang wie ein Vorwurf. Sie konnte nicht anders. Was, wenn Amelia sich tatsächlich das Leben genommen hatte? Denn zum ersten Mal schien ihr das eine Möglichkeit zu sein. » Es könnte doch sein, dass sie Hilfe gebraucht hätte. «
    » Kate, das ist nicht fair « , sagte Julia scharf. » Ich werde nicht zulassen, dass Sie meine Tochter für Ihre Nachlässigkeit verantwortlich machen. Sie war schließlich nicht Amelias Mutter. Das sind Sie. «
    Kate schloss die Augen und kämpfte mit den Tränen. Denn Julia hatte natürlich recht. Sie war diejenige, die Amelia im Stich gelassen hatte.
    » Amelia war in dem Club, weil sie sich einsam gefühlt hat, wissen Sie. « Sylvia versagte die Stimme. Julia legte ihr die Hände auf die Schultern, um sie zu beruhigen, aber Sylvia schüttelte sie ab. » Sie brauchte eine Familie. Wenn Sie öfter zu Hause gewesen wären, anstatt von morgens bis abends in dieser blöden Kanzlei zu arbeiten, dann würde sie vielleicht noch leben. «
    » Moment « , sagte Lew und trat einen Schritt vor. » Immer mit der Ruhe. Wir versuchen nur zu verstehen, was sich an dem Tag abgespielt hat. Ich glaube, du weißt mehr darüber, als du zugibst. Ich glaube, du warst dabei. «
    » Was? « Julias Augen weiteten sich. » Wovon redet der Lieutenant? Sylvia? «
    » Nein, ich hab ihr geholfen, aus Woodhouse’ Zimmer zu verschwinden, aber als ich nachher aus der Toilette kam, war sie weg. Ich weiß nicht, wo sie hingelaufen ist. «
    Lew nickte und betrachtete seinen Notizblock, bis sein Schweigen unerträglich wurde.
    » Mehr weiß ich nicht, ehrlich « , sagte Sylvia schließlich. Sie hatte Tränen in den Augen, und ihre Stimme klang heiser. » Ich schwör’s. «
    » Ich glaube dir trotzdem nicht. « Lew riss eine Seite von seinem Notizblock ab und gab sie Julia. » Ich glaube, dass du viel mehr weißt, als du uns erzählst. «
    Julia betrachtete den Zettel, dann blickte sie verdattert auf. » Ich verstehe nicht. Was ist das? «
    » In diesem Bericht sind anonyme SMS aufgelistet, die Sylvia an Kate geschickt hat « , sagte Lew. » In den SMS stand, Amelia sei nicht gesprungen. Hab ich recht, Sylvia? «
    Tränen liefen über Sylvias Wangen. Sie machte den Mund auf, um etwas zu sagen, bekam jedoch kein Wort heraus. Dann ließ sie sich auf einen Küchenstuhl fallen, legte den Kopf auf die Arme und begann zu schluchzen. Julia eilte an ihre Seite.
    » Was auch immer passiert ist, wir kriegen das hin « , sagte sie, während sie Sylvias Arme rieb. » Aber du musst ihnen alles sagen, Liebes. Du musst ihnen sagen, warum du das geschrieben hast. «
    Endlich schniefte Sylvia und hob den Kopf. Ihre braunen Augen waren gerötet, ihre Wangen tränennass.
    » Nachdem Amelia gestorben war, bin ich ab und zu nach der Schule an Ihrem Haus vorbeigegangen. Auf der anderen Straßenseite, damit Sie mich nicht sehen konnten « , sagte Sylvia zu Kate. Sie hatte sich wieder mit den Armen umschlungen. » Einmal, es war schon spät am Nachmittag,