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Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Wahrheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberly McCreight
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geraten. Als ich bemerkte, dass Ms Ritter mich überhaupt nicht beachtete, fing ich an, mich nach einem Fluchtweg umzusehen. Doch dann kam meine Mom in den Saal gestürzt, wie immer eine Viertelstunde zu spät, und sah sich total gestresst um. Und als sie mich schließlich entdeckte– hinten links, ein großes G an die Brust gedrückt–, bekam sie so einen verklärten Blick. Als wäre ich das Großartigste, was sie je gesehen hatte. Und das war letztlich der Grund gewesen, warum ich nicht von der Bühne geflüchtet war.
    Plötzlich riss mich ein Geräusch am anderen Ende der Aula aus meinen Gedanken. Die Türen gingen auf.
    » Scheiße « , flüsterte Sylvia und packte mich an der Hand. » Wir laufen in die Cafeteria. «
    Die Cafeteria war leer, bis auf zwei Putzleute, die den Boden wischten.
    » Hier dürft ihr euch nicht aufhalten « , schnauzte uns einer der beiden an, ohne aufzublicken.
    » Wir müssen für ein Buchprojekt recherchieren « , entgegnete Sylvia, dann sagte sie zu mir: » Hier hast du Whitman Price gesagt, er soll sich ins Knie ficken. Daran erinnerst du dich wohl noch, oder? «
    Es dauerte einen Moment, aber dann fiel es mir wieder ein. Als wir in der sechsten Klasse waren, war Whitman Price der Anführer einer Bande von Jungs gewesen, die immer auf allen Mädchen rumgehackt hatten. Er hatte auf unsere zu dicken Knöchel oder auf einen Leberfleck am Hals gezeigt. Seiner Meinung nach waren wir zu fett, zu mager oder zu unförmig. Dabei war Whitman selbst ziemlich dick und hatte das ganze Gesicht voll Pickel, doch alle hatten zu viel Angst vor ihm, um das laut auszusprechen. Zum Glück war er weggezogen, als wir in die Achte kamen und seine Eltern sich scheiden ließen. Ich hatte schon seit Jahren nicht mehr an ihn gedacht.
    Aber jetzt erinnerte ich mich wieder daran, wie er einmal an den Tisch kam, wo ich mit Sylvia und noch ein paar anderen Mädchen saß. Whitman stellte sich zu uns und machte Bemerkungen über uns. Wir wären alle ziemlich langweilig, fand Whitman, und dann erklärte er jeder Einzelnen von uns, was ihr fehlte. Das machte er nur, um uns zu helfen, behauptete er. Bis er bei mir angekommen war, waren mehrere Mädchen in Tränen ausgebrochen, und ein halbes Dutzend anderer Jungs hatte sich um den Tisch versammelt, um sich das Schauspiel anzusehen.
    » Und du « , sagte er und zeigte auf mich, » hast ein Pferdegesicht. Viel zu lang und zu platt. «
    Ich war nie groß darin gewesen, mich gegen andere zur Wehr zu setzen. Aber als Whitman an dem Tag an unserem Tisch stand und uns begutachtete wie Heringe in einem Fass, bin ich ausgerastet.
    » Und du bist ein Fettsack, Whitman « , sagte ich zu ihm. » Also, hau ab und fick dich ins Knie. «
    Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie ein Schimpfwort laut ausgesprochen, erst recht nicht dieses Schimpfwort. Ich hatte das Gefühl, als stünde mein Mund in Flammen.
    » Boah, Volltreffer! « , johlte einer der Jungs.
    » Scheiße, Whitman, die hat’s dir aber gegeben! « , rief ein anderer.
    Und Whitman sah mich so wütend an, dass ich schon dachte, er würde mich schlagen. Dann hatte er sich jedoch einfach umgedreht und sich verkrümelt. Ein paar Tage später hatte er wieder angefangen, auf allen Mädchen rumzuhacken. Aber nicht am nächsten Tag. Da hatte er am anderen Ende der Cafeteria ganz allein an einem Tisch gesessen.
    » Komm schnell « , sagte Sylvia. » Wir müssen hier weg. Ich glaub, einer von den Putzmännern ist losgegangen, um jemandem Bescheid zu sagen. «
    So ging es weiter durch die ganze Schule, immer auf der Hut vor Lehrern und Aufsichtspersonal. Sylvia führte mich zu dem Raum, in dem ich einmal für meine Arbeit über Magnetismus und Pflanzen einen Preis gewonnen hatte, und zu der Stelle, wo Chris Mellon mir, als wir in der Achten waren, gesagt hatte, er sei in mich verliebt. Wir gingen zu der Ecke im ersten Stock, wo ich Sylvia, als wir in der Siebten waren, erklärt hatte, ich würde Schriftstellerin werden, egal, was es mich kosten würde.
    Nichts davon konnte etwas ändern. Es würde nicht dazu führen, dass Dylan mich liebte, und auch nicht dazu, dass mein erstklassiger Leuchtturm -Aufsatz gegen den falschen ausgetauscht würde. Keine Erinnerung konnte ungeschehen machen, was Zadie mir angetan hatte, und dass alle meine Mail an Dylan gelesen hatten.
    Aber es erinnerte mich daran, dass mein Leben aus mehr bestand als aus einem schrecklichen Moment, einem Mädchen, einem Aufsatz. Dass ich auch schon andere Dinge

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