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Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf

Titel: Die Letzten ihrer Art 01 - Der letzte Elf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvana de Mari
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sie sollten hinausgehen und das, was von der kleinen Forelle übrig war, möglichst weit weg und mit Anstand begraben. Halb fühlten die zwei sich wie die letzten Idioten, halb wie die schlimmsten Verbrecher aller Zeiten, aber sie erfüllten ihm seinen Wunsch.
    Als sie zurückkamen, trat der Kleine aus seinem Winkel heraus und zog unter seinen gelben Kleidern ein abgenutztes, besticktes Säckchen hervor. Er leerte es aus und dabei kamen nacheinander zum Vorschein: ein kleiner Kreisel aus blau und dunkelblau lackiertem Holz, ein winziges, in zerschlissenen blauen Samt eingebundenes Büchlein mit Elfenschrift in Silberstickerei darauf und ein eingerolltes Stück Pergament, das von einem blauen Samtband zusammengehalten wurde.
    »Die Farbe der Elfen ist Blau«, erklärte der Kleine, »aber es ist uns jetzt verboten. Wir hassen Gelb.«
    Die beiden Menschen nickten.
    Der Kleine löste das Band und entrollte das Pergament.
    »Wisst ihr, was das ist?«, fragte der Kleine.
    »Ein Stück Pergament.«
    »Ja, richtig, aber wisst ihr, was diese Zeichen sind?«
    »Zeichnungen?«, tippte der Mann.
    »Buchstaben?«, versuchte es die Frau.
    »Das ist eine Landkarte! Als sie sagte, dass ich gehen soll, hat Großmutter mir auch dieses Büchlein mit Gedichten und die Karte mitgegeben. Das Buch ist von meiner Mutter und die Karte von meinem Vater. Er war ein Reisender. Deshalb ist er tot. Elfen dürfen sich nicht außerhalb der Elfenplätze aufhalten. Als er nach Hause kommen wollte, zu dem Elfenplatz, wo wir lebten, haben seine Verfolger ihn gefasst, und er wurde zum Tode verurteilt. Deshalb habe ich meinen Vater nie kennengelernt. Das hier ist die Karte mit dem ganzen Weg, den wir zurückgelegt haben, und dem, den wir noch vor uns haben. Aber... könnt ihr eine Karte lesen? Die hier ist einfach: Die Namen sind sowohl auf Elfisch als auch in Menschensprache eingetragen.«
    Schweigen. Ein schrecklicher Verdacht stieg in dem Kleinen auf.
    »Ihr könnt nicht lesen! Ihr könnt überhaupt nicht lesen! Nicht nur die alten Runen nicht, sondern auch die normale Schrift nicht!«
    Schweigen. Der Mann zuckte die Achseln. Die Frau nickte.
    Das war entsetzlich!
    Der Kleine fühlte Mitleid mit diesen zwei Ärmsten, sie waren verloren in einer Welt, in der Worte nicht aufbewahrt werden konnten. Er erinnerte sich wieder, dass er Geduld haben musste mit ihnen, geduldig und rücksichtsvoll musste er mit ihnen sein, denn sie waren verloren in einer Welt, wo die Worte in der Zeit verhallten und nur im Gedächtnis haften blieben.
     
     
    Der Kleine erläuterte die Karte: Auf der einen Seite waren da die Schattenberge, und jenseits des Gebirges das Meer. Links unten war eine dicht gedrängte Menge Häuser eingezeichnet, eingefasst von Mauern und durchzogen von einem Fluss, das war Daligar, so stand es auch dort geschrieben. Der Fluss hieß Dogon, auch das stand da geschrieben. Sie waren augenblicklich gerade hier an diesem Bach, der keinen Namen trug: Daneben war ein aufrechter, intakter Turm eingezeichnet mit einer kleinen Eiche obenauf. Sie befanden sich an einem halb verfallenen Turm mit einer enormen Eiche darauf: Offenbar waren die Dinge, seitdem sein Vater hier vorbeigekommen war, für die Eiche gut gelaufen und weniger gut für den Turm, aber es war mit Sicherheit dieselbe Stelle. Der Bach mündete wenig später in den Dogon, den Fluss von Daligar, und der floss dann weiter über Arstrid hinaus, das letzte eingezeichnete Dorf, zu den Schattenbergen. In einem tiefen Tal wand sich der Fluss durchs Gebirge, und das war auf der Karte so gut eingezeichnet, dass man sogar die Felsenhöhe über dem Pass erkannte. Darüber war eine Rauchfahne eingezeichnet mit einer Inschrift, die besagte: HIC SUNT DRACONES, das war die Sprache der Dritten Runendynastie und hieß: Hier leben die Drachen.
    Hinter dem Pass war ein merkwürdiges Zeichen über dem Fluss angebracht.
    Sie mussten nur dem Bach folgen, dann gelangten sie an den Fluss. Sie mussten nur dem Fluss folgen, dann gelangten sie zum Drachen.
    Er war der letzte Elf.
    Er war derjenige, der es tun musste.
    »Wie kannst du dir sicher sein?«
    »Mein Name, es ist in meinem Namen enthalten. Mein Name ist Yorschkrunsquarkljolnerstrink: nerstrink ist Elfisch und heißt ›der Letzte‹.«
    »Vielleicht hat das gar nichts zu bedeuten. Vielleicht ist es ein Name wie jeder andere, ohne wirkliche Bedeutung. Ich heiße Sajra, so nennt man in meinem Dorf eine Blume, die in Mauerritzen wächst, aber ich bin doch keine

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