Die letzten ihrer Art
Maßstäben dieser Inseln, auf denen jede einheimische Art gefährdet ist, geht's ihnen prima.«
Er grinste.
»Wollt ihr ein paar gefährdete Mäuse sehen?« fragte er.
»Ich wußte nicht, daß jetzt auch schon Mäuse zu den gefährdeten Arten gehören«, sagte ich.
»Ich hab nichts von Art gesagt«, sagte Richard. »Ich meinte bestimmte Mäuse. Naturschutz ist nichts für Sensibelchen, Wir müssen einen Haufen Tiere töten, teils, um die gefährdeten Arten zu schützen, teils, um sie an sie zu verfüttern. Viele der Vögel ernähren sich von Mäusen, und deswegen müssen wir sie hier züchten.«
Er verschwand in einem kleinen, warmen Raum, in dem es laut piepste, und tauchte ein paar Sekunden später mit einer Handvoll frisch getöteter Mäuse wieder auf.
»Zeit zum Vögelfüttern«, sagte er und machte sich auf den Rückweg zu seinem höllischen Landrover.
Die beste und schnellste Verbindung zur Black-River-Schlucht, wo die Falken leben, ist eine Privatstraße durch die Medine-Zuckerrohrplantage.
Zucker ist, vom Standpunkt der mauritischen Umwelt aus betrachtet, ein ernst zu nehmendes Problem. Ausgedehnte Waldgebiete auf Mauritius sind zerstört worden, um Platz für den Anbau eines reinen Exportgutes zu schaffen, das seinerseits unsere Zähne zerstört. Das ist überall ein ernstes, auf Inseln jedoch besonders ernstes Problem, weil die Inselökologie sich grundlegend von einer Festlandsökologie unterscheidet. Sogar das Vokabular unterscheidet sich. Wenn man viel Zeit auf Inseln und in Gegenwart von Naturforschern zubringt, führt das dazu, daß man vor allem zwei Begriffe furchtbar oft zu hören bekommt: »endemisch« und »exotisch«. Drei, wenn man »Katastrophe« mitzählt.
Eine Pflanzen- oder Tierart ist endemisch, wenn sie auf einer Insel oder in einem bestimmten Gebiet heimisch ist und sonst nirgendwo vorkommt. Eine Art ist exotisch, wenn sie von außerhalb eingeschleppt wurde, und eine Katastrophe ist das, was infolgedessen normalerweise passiert.
Das hat folgenden Grund: Kontinentale Landmassen sind groß. Sie ernähren Hunderttausende, sogar Millionen unterschiedlicher Arten, die sämtlich miteinander ums Überleben kämpfen. Schon die Grausamkeit dieses Überlebenskampfes ist so ungeheuerlich, daß sich die Arten, die überleben und gedeihen, aus tückischen kleinen Kämpfern zusammensetzen müssen. Sie vermehren und verbreiten sich überaus schnell.
Eine Insel hingegen ist klein. Es gibt erheblich weniger Arten, und der Überlebenskampf hat nie solche Ausmaße angenommen wie auf dem Festland. Die Arten sind nicht zäher als notwendig, das Leben spielt sich wesentlich ruhiger und beschaulicher ab, und die Evolution geht bedeutend langsamer vonstatten. Deshalb findet man beispielsweise auf Madagaskar Arten wie die Lemuren, die vor Äonen auf dem Festland verdrängt wurden. Inselökologien sind äußerst anfällige Zeitkapseln.
Man kann sich also vorstellen, was passiert, wenn eine Festlandsart auf eine Insel eingeschleppt wird. Das ist, als würde man Al Capone, Dschingis-Khan und Rupert Murdock auf der Isle of Wight einschleppen – die Einheimischen hätten keine Chance.
Was auf Mauritius oder genaugenommen auf jeder Insel passiert, ist, daß im Fall der Vernichtung der endemischen Vegetation oder Tierarten die exotischen Formen in die Bresche springen und alles übernehmen. Es fällt einem Engländer schwer, sich etwas wie Liguster als eine exotische und grausame Lebensform vorzustellen – den Vorgarten meiner Großmutter begrenzen akkurat gestutzte Ligusterhecken –, aber auf Mauritius benimmt er sich wie eine Horde brandschatzende Wikinger. Genau wie die eingeschleppten Guavenbäume und zahlreiche andere auswärtige Invasoren, die sich wesentlich schneller vermehren und verbreiten.
Schwarzes Ebenholz kommt aus den Hartholzwäldern im Flachland von Mauritius und war der Hauptgrund für die Holländer, die Insel zu kolonialisieren. Es ist kaum mehr etwas davon übrig. Der Wald wurde abgeholzt, um das Holz zu verarbeiten, um Platz für Ackerbau zu schaffen und für die Rotwildjagd. La chasse.
Ausgedehnte Waldgebiete wurden gerodet, um Wildparks anzulegen, in denen Jäger auf niedrigen Holztürmen stehen und auf Rotwildherden schießen. Als sei der Verlust des Waldes – und auch noch aus diesem Grund – für sich genommen nicht schon schlimm genug, verhindern die Weidegewohnheiten des Wildes das Neuwachstum der empfindlichen endemischen Pflanzen, während die exotischen Arten gedeihen. Die jungen
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