Die letzten ihrer Art
Bäume von Mauritius werden also schlicht zu Tode geknabbert.
Wir fuhren durch mächtige Felder aus wogendem Zuckerrohr, nachdem wir zuerst ein Hindernis in Form eines Plantagen-Torwächters überwunden hatten, eines ältlichen und exzentrischen Mauritiers namens James, der niemanden ohne Passierschein durch sein Tor läßt, nicht mal jemanden, den er seit zehn Jahren jeden Tag durchgelassen hat und der seinen Passierschein nur heute zu Hause vergessen hat. Genau das war Carl vor kurzem passiert, der seitdem droht, das Tor aus Rache mit Zwei-Komponenten-Kleber zuzukleistern, und das mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch tun wird. Carl ist ohne Zweifel genau die Art Mensch, die es bis zur heiteren Neige auskostet, jemanden mit der Androhung irgendwelcher Albernheiten zu ärgern, und dann hingeht und den Spaß auf die Spitze treibt, indem er die Drohung wahrmacht.
Es hatte einige Zeit zuvor eine ernstere Auseinandersetzung gegeben, als Carl und Wendy mit einer Abordnung von Weltbank-Offiziellen eingetroffen waren, mit denen sie über eine finanzielle Unterstützung verhandeln wollten. James hatte sie mit der Begründung nicht durchlassen wollen, sie hätten zwei Autos, und er sei lediglich befugt, eins durchzulassen.
James erstattet Carl und Richard außerdem regelmäßig Bericht von den Bewegungen der Falken, aber nicht, weil sie ihn darum gebeten hätten, sondern nur, weil er – erstaunlich, aber wahr – gern hilft. Wenn er keine Falken gesehen hat, behauptet er trotzdem, auf freundliche und ermutigende Weise, er habe. Was bedeutet, daß Carl heute, wann immer er die farbigen Bänder an den Beinen der Vögel wechselt, darauf achtet, ihnen ein Band in einer anderen Farbe anzulegen, damit er merkt, daß James lügt, wenn der vorgibt, einen Falken mit einem Band in einer Farbe gesehen zu haben, die augenblicklich nicht im Einsatz ist.
Der Falke, den wir uns ansehen wollten, war 1985 auf das Annehmen von Mäusen abgerichtet worden. Zweck der Fütterung von wildlebenden Falken ist, ihre Ernährung aufzubessern, damit sie mehr Eier legen. Wenn ein Falke gut ernährt wurde, konnte Carl die ersten vom Vogel gelegten Eier aus dem Nest entfernen, mit zurück ins Zuchtzentrum nehmen und darauf vertrauen, daß der Falke noch ein paar mehr legen würde. Auf diese Art erhöhte sich die Anzahl an Eiern, die ausgebrütet werden konnten, aber da lediglich eine begrenzte Anzahl von Vögeln zur Verfügung stand, um sich draufzusetzen, wurden sie zum Teil künstlich ausgebrütet. Was eine höchst anspruchsvolle und heikle Aufgabe ist, bei der man den Zustand der Eier ununterbrochen im Auge behalten muß. Falls ein Ei aufgrund der Verdunstung von Flüssigkeit durch die Schale versiegelt. Falls es zuwenig Gewicht verliert, werden Teile der Schale akribisch geschmirgelt, um sie poröser zu machen. Am besten ist es, wenn ein Ei eine Woche unter einem Vogel und die übrigen drei im Brutkasten liegt – bei Eiern, die solche Tauschaktionen hinter sich haben, liegt die Erfolgsquote wesentlich höher.
Richard brachte den Landrover am Waldrand, kurz vor dem Eingang zu der engen Schlucht, zum Stehen, und wir krabbelten ins Freie. Die Luft war frisch und klar, und Richard schritt, eine Auswahl an komischen Lockrufen ausstoßend, über die kleine Lichtung. Binnen einer oder zwei Minuten kam der Falke aus dem Wald geschossen und ließ sich auf einem hohen Baum nieder, der einen großen, halbkugelförmigen Felsen überragte. Da der Vogel sich daran gewöhnt hat, mehr im Wald als auf freiem Feld zu leben, schwebt er nicht wie viele Falken, kann aber statt dessen mit hoher Geschwindigkeit unfehlbar durch das Blätterdach fliegen, in dem er seine aus Geckos, kleineren Vögeln und Insekten bestehende Nahrung einfängt. Dabei verläßt er sich auf sein unglaublich scharfes und schnell erfassendes Auge.
Wir beäugten uns eine Zeitlang gegenseitig. Genaugenommen beobachtete er alles, was sich bewegte, indem er ständig schnelle, aufmerksame Blicke nach allen Richtungen warf.
»Seht ihr, wie interessiert er an allem ist, was es zu sehen gibt?« sagte Richard. »Ihre Augen sind ihr Leben, und daran muß man denken, wenn man sie in Gefangenschaft hält. Man muß sicherstellen, daß sie in einer komplexen Umgebung leben. Raubvögel sind verhältnismäßig dumm. Wegen ihrer ungeheuren Sehkraft muß man ihnen nur irgendwas bieten, das sie optisch beschäftigt.
Als wir mit der Aufzucht von Raubvögeln in Gefangenschaft begonnen haben, hatten wir ein paar sehr
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