Die letzten Tage
gegenübersaß, nahm ihre Hand und drückte sie sanft. Das half ihr zwar nicht, die überwältigende Furcht abzuschütteln, trotzdem fühlte sie sich gleich wieder ein bisschen besser.
„Ich glaube nicht, dass du dir um ihn Sorgen machen musst. Mein Gefühl sagt mir, dass er ganz gut selbst auf sich aufpassen kann.“ Er wischte sich mit der freien Hand über die Stirn.
„Was ist mit diesem Buch, das er dir gegeben hat?“
Grazia hatte es, um beide Hände frei zu haben, hinten in den Hosenbund gesteckt. Jetzt zog sie es hervor und betrachtete es eingehend.
„Ein Manuskript. Handgeschrieben. Der Verfasser hat ihm den Titel ‚Die geheimen Katakomben von Rom‘ gegeben.“ Skeptisch runzelte sie die Stirn. „Was wir damit wohl anfangen sollen? Glaubst du, das Buch enthält irgendeinen Code, der uns hilft, das Rätsel zu entschlüsseln?“
Zack nahm ihr das Buch ab. „Nein“, antwortete er. „Ich glaube, das Buch ist die Lösung.“
Jetzt verstand sie wirklich überhaupt nichts mehr – und das war ihr wohl auch deutlich anzusehen.
„Liegt das denn nicht auf der Hand?“, fragte er. „Giancarlo di Barini sprach davon, dass wir in die Tiefe gehen sollten. Die Katakomben sind ein Netz aus unterirdischen Gängen und Räumen unter den Straßen Roms.“
So recht überzeugt war Grazia noch immer nicht. „Und der Rest seiner Botschaft? Ich meine, soweit ich weiß, handelt es sich bei den Katakomben um Begräbnisstätten für Menschen – nicht für Fische!“
„Ich glaube auch nicht, dass es wörtlich gemeint ist – eher symbolisch.“
„Du meinst, der Fisch als Symbol für das Christentum?“
Zack zuckte mit den Schultern. „Warum nicht? Immerhin wurden die Katakomben auch von den frühen Christen genutzt. Es wäre doch immerhin möglich, dass …“ Er verstummte, als ein rhythmischer Summton direkt aus Grazias Jackentasche erklang. „Was ist das? Dein Handy?“
Als Grazia das Telefon hastig aus der Tasche zog, summte und vibrierte es noch immer heftig. Und auf dem Display wurde eine unbekannte Nummer angezeigt.
„Vielleicht ist es mein Vater!“ Ohne lange nachzudenken, ging sie ran. „Sì, pronto“ , meldete sie sich.
„Grazia? Bist du das?“
Es war nicht ihr Vater, dennoch erkannte sie die Stimme sofort. „Silvio“, sagte sie erstaunt. „Woher hast du diese Nummer?“
„Das tut doch jetzt nichts zur Sache. Verdammt, wo steckst du? Hier ist die Hölle los! Ist dir eigentlich klar, dass nach dir gefahndet wird?“
Inzwischen bereute sie, das Gespräch überhaupt angenommen zu haben. „Hör mal, Silvio, ich habe für so was jetzt wirklich keine Zeit. Tut mir leid, aber …“
„Leg nicht auf! Es geht um deine Freundin.“
„Patrizia?“ Eine eiserne Klammer schien sich um Grazias Herz zu legen und langsam immer enger zu werden. Schuldbewusst stellte sie fest, dass sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr an ihre Mitbewohnerin gedacht hatte. „Was ist mit ihr? Liegt sie noch im Koma?“
„Nein, sie hat gestern Abend das Bewusstsein wiedererlangt. Ich war bei ihr im Krankenhaus, weil ich dachte, du würdest sicher wollen, dass sich jemand um sie kümmert. Vorhin war ich auch wieder da, um sie zu besuchen, aber sie war nicht auf ihrem Zimmer. Zuerst wollte die Schwester mir keine Informationen geben. Aber als ich ihr meinen Dienstausweis unter die Nase gehalten habe, hat sie schließlich doch geredet.“
„Patrizia ist doch nicht etwa …?“
„Sie lebt“, beeilte sich Silvio, sie zu beruhigen. „Aber ihr Zustand hat sich plötzlich dramatisch verschlechtert. Die Ärzte können nicht mit Sicherheit sagen, ob sie durchkommt und …“ Er hielt kurz inne. „Grazia, sie fragt wohl die ganze Zeit über nach dir.“
Grazia schluckte. Was sollte sie jetzt tun? Der Gedanke, dass ihre Freundin im Krankenhaus ganz allein mit dem Tod rang, war ihr beinahe unerträglich. Patrizia war nur durch ihre Schuld überhaupt in diese Situation geraten. Das Monster, von dem sie angegriffen worden war, hatte es schließlich gar nicht auf sie abgesehen gehabt.
Grazia traf eine Entscheidung. „Glaubst du, du kannst mich irgendwie ins Krankenhaus schleusen, ohne dass ich gesehen werde?“, fragte sie Silvio.
Zack, der ihr Gespräch mit angehört hatte, riss entsetzt die Augen auf und schüttelte vehement den Kopf. Seine Lippen formten ein lautloses „Nein!“, doch Grazia ignorierte ihn.
„Ich denke, das ließe sich schon irgendwie machen“, erwiderte Silvio nach kurzem Zögern. „Wir
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