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Als wäre es Liebe

Als wäre es Liebe

Titel: Als wäre es Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicol Ljubic
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Sie versucht, sich zu erinnern, aus welcher Richtung sie gekommen sind. Sie sieht nach rechts, nach links. Aber die Bäume rechts entlang der Straße sehen aus wie die Bäume links entlang der Straße. In Gedanken versucht sie, den Weg nachzufahren, den sie gekommen sind. Am Anfang war die Tankstelle. Sie ist losgefahren, etwas zu schnell, er hatte Mühe, seine Tür rechtzeitig zu schließen. Sie bogen auf die Landstraße. Eine Kurve, ein Wald. Als sie hinauskamen, musste sie kurz die Augen schließen, weil sie geblendet war von der Mittagssonne. Und dann? Ein Ortsschild. Ein Ortsname. Sie sind durch den Ort hindurch. Dann an einer Tankstelle vorbei. Erschrocken war sie, weil sie für einen Moment dachte, es sei dieselbe, und Ausschau gehalten hat nach Fritzmann und dem Pfarrer. Nach einer Weile sind sie rechts abgebogen, an mehr aber kann sie sich nicht erinnern. Nur, dass sie irgendwann im Wald standen neben dem geparkten Auto. Sie sind umgestiegen und haben den alten Passat zurückgelassen. Und jetzt steht sie hier, vor der Landstraße, und weiß nicht, in welche Richtung sie fahren soll. Sosehr sie sich auch anstrengt, sie kann sich an kein Schild, keine Markierung, keine Kreuzung erinnern. Sie hatte gehofft, es bis zur Autobahn zu schaffen und dann über die Grenze.
    Sie stellt den Motor ab. Sie dreht sich zu ihm um und sieht, wie ihm der Schweiß auf der Stirn steht. Er hält sich mit beiden Händen am Griff über der Tür fest. Die ganze Zeit muss er gegen seine Übelkeit angekämpft haben. Er ist das Autofahren nicht gewohnt. Er braucht frische Luft. Sie steigt aus, geht um das Auto herum und öffnet seine Tür. Im Kofferraum sind die gepackten Rucksäcke verstaut. Sie sucht nach der Flasche Wasser, kramt Socken hervor, Hosen, Mückenspray, Sonnencreme, es sieht nach Urlaub aus, denkt sie. Er bleibt im Auto sitzen, angeschnallt, aber er hat seine Hände vom Griff gelöst und sie in den Schoß gelegt. »Friedrich«, sagt sie, »wir sind da.« Sie weiß nicht, an was er die ganze Zeit gedacht hat. An das Haus in Ligurien mit dem dicken Gemäuer, von dem sie ihm erzählt hat? Wie das grelle Sonnenlicht durch den Perlenvorhang fällt? Den Blick von dort oben aufs Meer? »Trink was«, sagt sie und legt ihm die Flasche in den Schoß. »Magst du aussteigen?« Sie schnallt ihn ab. Aber er macht keine Anstalten auszusteigen. »Dann lass mich zu dir«, sagt sie. Er rückt ein wenig in die Mitte, und sie setzt sich neben ihn auf die Rückbank. Wenn er wenigstens das Meer sehen könnte.
    In einiger Entfernung hört sie ein Auto, dann sieht sie es zwischen den Bäumen am Straßenrand aufblitzen. Viel Zeit bleibt ihnen nicht. Sie wird alles auf sich nehmen. Ihnen erzählen, dass es ihr Plan gewesen sei, dass er von nichts gewusst und sie das Radio aufgedreht habe, als er sie gebeten habe, anzuhalten; sofort!
    »Friedrich«, sagt sie, »weißt du, dass wir das erste Mal allein sind?« Aber offenbar hat auch er das Auto gehört. Er starrt auf die Straße. Sie sucht seine Hand, stößt auf seinen kleinen Finger, streicht mit ihren Fingern über seinen Handrücken. Auf einmal kommt er ihr groß vor wie ein Hügel. Sie hört von weit weg eine Kinderstimme, jauchzen und rufen, und sieht ein Mädchen, an das sie lange nicht gedacht hat. Sie sagt sich, dass es nichts mit ihm zu tun hat. Nur weil er gewaltige Hände hat. Aber sie bekommt das Bild nicht mehr aus dem Kopf. Am höchsten Punkt gibt sie auf. Möchte losgelassen werden. Aber es hält sie niemand, seine Hände liegen reglos da. Er weiß nichts von dem Mädchen. Sie hat ihm nie von dem Mädchen erzählt. Er starrt auf die Straße. Wieso kommen sie nicht? Sie mussten das Auto doch längst entdeckt haben. Dann sieht sie das Auto, aber es hält nicht. Ein Mann sitzt am Steuer, eine Frau auf dem Beifahrersitz, und auf der Rückbank sieht sie den Kopf eines Kindes.
    Er versucht nicht, sie festzuhalten, er wehrt sich auch nicht, als sie ihn wieder anschnallt. Als wüsste er, dass es besser ist. Sie nimmt die Richtung, in die das Auto gefahren ist. Sie lassen den Wald hinter sich, dann sieht sie von weitem den Kirchturm, und auf einmal kennt sie sich wieder aus. Es dauert nicht lange und sie sieht die Tankstelle. Fritzmann und der Pfarrer kommen gerade zur Tür heraus, beide einen Becher Kaffee in der Hand. Sie steigen ein. Sie wundert sich, dass sie nichts sagen. Und dann merkt sie, dass sie immer noch in dem alten Passat sitzen. Und dass es eigentlich viel zu heiß ist und sie

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