Die Leute mit dem Sonnenstich
— im norddeutschen Raum, denn er war Hanseat —, und daß er der Druckanstalt eine große Zahl neuer und sehr solventer Kunden zugeführt hatte, so daß es im Betrieb auch nicht mehr den geringsten Leerlauf gab. Mit einem Wort, Thomas Steffen war ein Gewinn für die Firma, sozusagen ein Haupttreffer.
Marion lud die Herren zum Kaffee ein. Sie hatte ihre Aufgabe, im Grünen das Gefühl häuslicher Behaglichkeit zu verbreiten, mittels einer Papierserviette und dreier Aluminiumbecher wunderbar gelöst. Als Imbiß setzte sie den Herren Zwieback und Apfelkompott aus einer Büchse vor. Sie selber schleckte an der Zuckergußseite eines sogenannten >Amerikaners<; das verwöhnte Mädchen hatte dieser Art von Gebäck seit ihrer Kindheit eine rührende Anhänglichkeit bewahrt.
Die beiden Herren schlichen mit tapferen Gesichtern herbei. Es war ihnen anzusehen, daß sie den Kaffee nur aus Pflichtgefühl, nicht aber aus Genußsucht hinunterwürgen wollten. Herrn Steffen bereitete sogar die Vorstellung — die sich übrigens direkt von einer toten Katze herleitete, welche gestern an seinem Boot vorbeigetrieben war —, mit Marion das Krankenbett zu teilen oder sie später, wenn es nur ihn allein erwischen sollte, mit sanftem Vorwurf anblicken zu dürfen, eine Art von schmerzlichem Vergnügen. Seine geheimen Wünsche machten es ihm leicht, durch Marion und für Marion zu leiden oder, wenn es durchaus sein mußte, zu sterben. Vielleicht sehnte er sich sogar danach. Denn einmal muß es ja gesagt werden: Thomas Steffen liebte Marion. Er liebte sie zart und innig, aber leider noch immer in zermürbender Hoffnungslosigkeit, da er bisher nicht den Mut gefunden hatte, ihr seine Liebe zu gestehen. Diesen Mut hatte er vor etwa zwei Wochen jedoch vor Marions Vater aufgebracht.
Nun wußte zwar Herr Keyser, woher die ungeheure Aktivität seines Partners für das Geschäft stammte. Leider aber war Marion trotz ihrer dreiundzwanzig Jahre noch nicht reif genug, einen Mann allein nach seinen Taten und seinem Geschäftseifer zu messen. Sie gehörte eben nicht zu jener Sorte von jungen Damen, die auf Herren in gesicherter Position und mit gesicherter Zukunft entscheidenden Wert legen. Da sie Geldsorgen nicht kannte, imponierten ihr das Äußere, der Charakter und der Mut eines Mannes mehr als sein Portemonnaie, und die aufopfernde Tätigkeit von Thomas Steffen für die >Keysersche Druckanstalt< machte auf sie keinen besonderen Eindruck, im Gegenteil, sie hielt sie für selbstverständlich.
Es hatte nach Steffens Erklärung, die er mit stammelnder Stimme abgab, zwischen ihm und Herrn Keyser das übliche Gespräch gegeben, das in solchen Fällen zwischen Männern von Bildung und Vermögen stattzufinden pflegt, wobei Marions Vater erfuhr, daß Steffen sich Marion noch nicht erklärt habe und ihrer Gegenliebe durchaus nicht sicher sei — ja, nicht nur nicht sicher, sondern daß er auch nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür habe, ob er jemals bei Marion auf eine Erwiderung seiner Gefühle stoßen werde.
Steffen als Schwiegersohn? Hm!
Nun , gestehen wir es ruhig ein, auch von sich aus hatte Herr Keyser, dessen väterlichem Blick Thomas Steffens zartes Werben um Marion vom ersten Augenblick an nicht entgangen war, den Gedanken einer Verbindung der jungen Leute schon mehrmals erwogen. Und das Ergebnis seiner Überlegungen war durchaus nicht zu Steffens Ungunsten ausgefallen. Herr Keyser liebte seine kapriziöse Tochter, und er liebte sie um so zärtlicher, je älter sie wurde und je mehr Marion ihn an seine allzu früh von ihm gegangene Frau erinnerte. Der Gedanke, da könnte ein Kerl kommen und sie wegheiraten, so daß er sie aus den Augen verlieren würde, hatte ihm schon lange lebhafte Unruhe bereitet. Wenn aber Steffen in die >Keysersche Druckanstalt< hineinheiratete, blieb Marion ihm erhalten, es verminderte sich die Aussicht auf ein einsames Alter zwischen fremden Gesichtern, ein trauriges Greisenlos. Und auch sonst war gegen Steffen nichts einzuwenden, menschlich nicht und geschäftlich schon gar nicht.
Dies alles ging ihm durch den Kopf, als Thomas Steffen in allzu begreiflicher Nervosität vor ihm stand und schließlich, da er in den Gesichtszügen seines heißersehnten Schwiegervaters keinerlei Anzeichen einer Absage las, die Bitte hervorstammelte, ob er auf eine Fürsprache Herrn Keysers bei Marion hoffen dürfe.
»Fürsprache, mein lieber Herr Steffen?« fragte der alte Herr mit mildem Blick und ernster Stimme. »Nein! Sie würden
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