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Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert

Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert

Titel: Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bas Kast
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tatsächlich, wie die Messung ergibt: Es genügt, den Studenten ein Foto ihres geliebten Partners zu zeigen, schon bekommen sie einen kleinen Schweißausbruch.
    Das Experiment kann beginnen. Die Forscher legen ihre Probanden in einen Kernspintomographen und registrieren die Hirnaktivität, während die Versuchspersonen in dem Gerät auf das Bild ihres oder ihrer Liebsten blicken.
    Das Ergebnis: Die verliebten Studenten befinden sich in einem Zustand, als hätten sie gerade ein Tütchen Kokain geschnupft.
Hirnregionen, die mit Glücksgefühlen einhergehen, leuchten auf. Andere Areale, die mit schlechter Stimmung zusammenhängen, sind schlicht abgeschaltet, beispielsweise das rechte Stirnhirn.
    In der Fachsprache wird das Stirnhirn auch als »Präfrontalcortex« bezeichnet. Das Areal liegt direkt hinter der Stirn und hat die Größe einer Billardkugel. Bei depressiven Patienten ist der rechte Präfrontalcortex oft besonders aktiv. Eine neuartige Therapie gegen Depressionen besteht darin, mit starker Magnetstimulation am Schädel die außer Kontrolle geratene Erregung dieses Hirnbereichs zu bremsen. Die Übererregung geht zurück, die Stimmung steigt. [3] Das heißt: Das Gesicht des geliebten Menschen zu sehen wirkt wie ein regelrechtes Antidepressivum!
    Doch nicht nur das rechte Stirnhirn, auch ein Teil des Mandelkerns knipst beim Anblick des Geliebten sein neuronales Licht aus. Der Mandelkern (Fachjargon: »Amygdala«) ist eine mandelförmige und -große Struktur tief im Innern des Hirns. Er liegt in zweifacher Ausgabe vor, einmal in der linken und einmal in der rechten Hirnhälfte. Man könnte die Struktur auch als Angst- und Aggressionszentrum im Kopf bezeichnen – das Feld springt immer dann an, wenn wir uns fürchten oder wütend sind. [4] Erlischt die Aktivität der Amygdala, wie bei den Studenten, sobald sie ihren Partner vor Augen haben, verschwinden Furcht und Wut.
    Die Liebe, schlussfolgern die Forscher, macht nicht nur glücklich, sondern auch mutig und sanft. [5]

In den Labors der Leidenschaft
    »Was Prügel sind, das weiß man schon; was aber die Liebe ist, das hat noch keiner herausgebracht«, schrieb Heinrich Heine ( 1797 – 1856 ). [6] Vor zehn Jahren, als es die Londoner Studie noch nicht gab und ich nach langer Lektüre immer noch nicht klüger war, schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Im Nachhinein wundere ich mich darüber, dass es mir nicht eher eingefallen ist. Dass ich nicht gleich darauf gekommen bin: Bei meiner Suche nach den Geheimnissen der Liebe nicht nur die Dichter, sondern auch
die Wissenschaft zu fragen. Ich studierte damals Hirnforschung, zusammen mit Evelyn – konnte sie mir das Rätsel nicht erklären?
    Im ersten Moment hört es sich vielleicht merkwürdig an, womöglich sogar abwegig, scheint es doch kaum zwei Welten zu geben, die unterschiedlicher sein könnten, die Welt der Liebe, der Leidenschaft, und die Welt der Wissenschaft, der Vernunft. Das A und O der Wissenschaft ist das Experiment, das Messen. Und ist die Liebe nicht unmessbar, gar unermesslich?
    Das ist sie, einerseits. Und sie ist es nicht: Die Untersuchung aus London zeigt, dass es möglich ist, die Liebe zu erforschen. Es ist nur dann unmöglich, wenn man Unmögliches von der Forschung verlangt, etwa: dass eine Studie alles erklärt.
    Die Londoner Analyse ist also nicht mehr als ein erster Ansatz, aber auch nicht weniger. Wie machte Evelyns Lächeln mich glücklich? Ein Teil der Antwort liegt darin, dass ihr Gesicht in der Lage war, Glücksareale in meinem Kopf zu aktivieren und zugleich die Erregung in meinem rechten Stirnhirn, die mit negativen Gefühlen einhergeht, zu drosseln. Was passiert in unserem Kopf, dass wir uns so sicher und geborgen fühlen, wenn der oder die Geliebte in unserer Nähe ist? Die Antwort lautet: Unser Angstzentrum namens Amygdala kommt dann zur Ruhe. Das ist noch keine Antwort auf die Frage, warum unsere Gefühle Achterbahn spielen, wenn wir verliebt sind. Doch die Studie demonstriert, dass die unfassbare Liebe für die Forschung fassbar ist.
    Zugleich markiert die Untersuchung einen endgültigen Tabu-Bruch. Denn das Vorurteil, der Liebe ließe sich mit wissenschaftlichen Mitteln nicht beikommen, herrschte nicht zuletzt in den Köpfen der Forscher selbst. »In den 70 er Jahre wurde ich, als ich mich damit beschäftigen wollte, noch ausgelacht«, hat mir die Anthropologin Helen Fisher erzählt. Auch sie blickt heute mit dem Kernspintomographen in den Kopf verknallter Versuchspersonen.

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