Die Liebe Und Wie Sich Leidenschaft Erklaert
Einführung Intensivkurs Liebe
Das Vergrößerungsglas für Gefühle
Ein kurzer Anruf genügt, eine kleine E-Mail, oder eine Frau geht vorbei, die ihr ähnlich sieht, und ich höre auf zu schreiben. Eine Zigarette, denke ich, denkt irgendetwas in mir, und ich merke, wie ich feuchte Hände bekomme, obwohl sie bewegungslos auf der Tastatur liegen. Ich tue nichts mehr, und eigentlich denke ich auch nicht mehr, das heißt, ich denke schon, ich denke nur. An sie.
So steht es in meinem Tagebuch, auf den ersten Seiten, so habe ich mich gefühlt damals. Komisch, diese Zeilen heute wieder zu lesen. Damals dachte ich: Es kann unmöglich jemand geben, noch jemand auf dieser Welt, der so verliebt ist wie ich.
Ich war Student, 21 , sie hieß Evelyn, und ich weiß noch, was ich in meiner Verzweiflung zu lesen begann: Goethes Werther, Stendhal, Tolstoj.
Eigentlich passiert das ja fast nie: dass ich eine Mail bekomme oder dass sie anruft oder dass sie mich ansieht und lächelt. Auf fünfmal Wegschauen ein Lächeln, auf zwei meiner Anrufe einer von ihr, auf drei Mails, die ich ihr schicke, kommt eine zurück. Ob sie strategisch vorgeht? [1]
Es war eine Qual, sie war eine Qual, aber eine Qual, die mich glücklich machte. Sie konnte mich in einen Rausch versetzen, sobald ich ihr Gesicht sah, ihr Lächeln ...
Und wenn sie dann wieder weg war, verschwand auch die Euphorie. Mein Glücksgefühl löste sich in nichts auf. Je mehr Zeit verging, ohne sie, desto stärker wuchs die Unruhe in mir, bis ich mich irgendwann bloß noch deprimiert fühlte.
Damals fing es an, ja, damals muss es begonnen haben. Ich wollte dahinter kommen. Ich wollte wissen, was es ist: das Geheimnis
der Liebe. Ob das überhaupt möglich ist? Das Rätsel der Liebe, ob es sich lösen lässt? Und wenn ja, wie?
Ich las. Liebesromane, Gedichtbände, Briefwechsel, ich verschlang die Bücher wie ein Besessener, um nicht allein zu sein mit meinen Gefühlen. Und die Ausführungen der Dichter wirkten auf mich wie eine Art Vergrößerungsglas. Es war, als konnte ich damit meine Gefühle klarer sehen, meine Gefühle für Evelyn.
Und doch, die Liebe schien mir nach wie vor ein Mysterium. Die Beschreibungen der Schriftsteller trafen nicht selten meine Empfindungen, manchmal haargenau. Aber es blieben Beschreibungen.
Was mir fehlte, waren Hintergründe, Erklärungen. Was war es denn nun, das mir den Kopf verdrehte? Warum reichte Evelyns Anblick, um mich glücklich zu stimmen? Warum konnte ich nur noch an sie denken? Und vor allem: Wie würde ich ihr Herz erobern können? »Magnetes Geheimnis, erkläre mir das!«, hatte Goethe ( 1749 – 1832 ) geklagt, »kein größer Geheimnis als Lieb und Hass.« [2]
Was mir fehlte, war: eine Gebrauchsanleitung für die Liebe.
Die Liebe als Antidepressivum
London, Ende der 90 er Jahre. Per E-Mail fordern die Hirnforscher Andreas Bartels und Semir Zeki mehrere tausend Studenten aus der britischen Hauptstadt und Umgebung auf, sich zu melden, falls sie sich »truly, madly and deeply« (wahrhaft, wahnsinnig und tief) verliebt fühlen. 70 Personen reagieren, drei Viertel davon Frauen.
Die beiden Wissenschaftler bitten die Studentinnen und Studenten in die Abteilung für Kognitive Neurologie am Londoner University College. Um ihren leidenschaftlichen Gefühlen auf den Grund zu gehen, lassen sie die Kandidaten ihre Beziehung kurz beschreiben, führen mit jedem ein Interview und wählen schließlich elf Frauen und sechs Männer aus, die sich alle durch eins auszeichnen: eine hochgradige Verliebtheit.
Die Liebe schaltet Hirnregionen ab, die mit negativen Gefühlen einhergehen, etwa Trauer, Angst und Aggressionen – zu den deaktivierten Bereichen gehören das rechte Stirnhirn (Kreisbereich im linken Bild) und Teile des Mandelkerns (Kreis im rechten Bild).
Die Auswahl ist offenbar geglückt. Bei einem psychologischen Liebesfragebogen, der in Untersuchungen zuvor bereits an Dutzenden von Verliebten getestet worden war, erreichten die Versuchspersonen Höchstwerte.
Das bestätigt auch ein anschließender »Lügendetektortest«, bei dem die Wissenschaftler den elektrischen Hautwiderstand ihrer Probanden prüfen. Wenn wir nervös werden, kommen wir ins Schwitzen, die Folge ist: Unsere Haut leitet elektrischen Strom besser. Die Reaktion ist unbewusst, wir können sie mit unserem Willen nicht beeinflussen. Deshalb erfasst ein Lügendetektor nicht nur den Puls und die Atemfrequenz, sondern auch die Veränderung der Hautleitfähigkeit. Und
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