Die Lucifer-Connection (German Edition)
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Compart: Welche Philosophie steckt dahinter? Gibt es vielleicht ein Vorbild im angelsächsischen Raum?
Hiess: Also, ehrlich gesagt, bei mir ist es immer noch die alte Fanzine/Eigenverlags-Philosophie, die mich schon vor 30 Jahren dazu trieb, Sachen selbst zu veröffentlichen, zu kopieren oder billig drucken zu lassen, den Vertrieb und die Korrespondenz selbst zu machen, die Kommunikation selbst zu kontrollieren. Dazwischen war der EVOLVER, bei dem wir das alles auf elektronische Weise ausprobiert haben. Und jetzt schließt sich der Kreis eben.
Vorbilder? Hmmm … das alte RE/SEARCH vielleicht. Und unter den neuen US-Verlagen beziehungsweise Buchreihen auf jeden Fall HARD CASE CRIME – nicht, weil wir jetzt auch auf Noir und Pulp machen wollten, aber wegen der genialen Idee, der durchgehaltenen Ästhetik, vom Cover bis zum Papier, und der zu 95 Prozent großartigen Bücher. Da kann man sich schon ein Beispiel nehmen.
Draxler: Dem schließe ich mich als graphisch-technischer Teil des Unternehmens gleich einmal an. Unser Logo – das E mit dem signifikanten Punkt - betrachten wir als den neuen „Jolly Roger“ auf dem ewigen Ozean aus Papier, Zeichen und Zeilen. Und so wie schon die alten Freibeuter haben auch wir nichts zu verlieren.
Compart: Was hat der Verlag mit dem Zine EVOLVER zu tun – falls er das hat?
Draxler: EVOLVER BOOKS darf man im derzeitigen Stadium durchaus als Tochterunternehmen der EVOLVER-Mutter betrachten. Aber so wie Töchter nun einmal sind, nabeln sie sich irgendwann einmal ab, werden selbständig und lassen sich von der Frau Mama nichts mehr anschaffen. So ähnlich ist das auch in unserem Fall. Nach einjähriger intensiver Vorbereitungsphase agieren wir jetzt völlig frei, haben unseren eigenen Plan, unsere eigene Disposition, die sich nur hin und wieder mit jener der EVOLVER-Redaktion deckt. Wenn wir ein Buch herausbringen, zum Beispiel. Dann kriegen wir von der „Mama“ natürlich das Cover – Blut ist halt doch dicker als Wasser.
Hiess: Das mit dem EVOLVER ist eine heikle Frage, wenn ich mir unsere alte Mutter heute so anschaue. Gehen wir’s also diplomatisch an: Die erste Gemeinsamkeit ist der Mitgründer, nämlich jeweils ich. Die zweite Gemeinsamkeit ist der Name, der sich ja in den vergangenen dreizehneinhalb Jahren einen guten Ruf verschafft hat, wenigstens fast bis zum Schluss. Die dritte Gemeinsamkeit ist der Herr Draxler alias r.evolver, der auch schon ewig beim EVOLVER dabei war, mit dem ich vor zehn Jahren schon Buchpläne wälzte und der genau jetzt bereit war und sich viel notwendiges Wissen erarbeitet hat, als ich beschloss, beim EVOLVER auszusteigen.
Compart: Was unterscheidet euer Programm von den Programmen anderer Verlage?
Hiess: Nach einem Buch kann man noch nicht wirklich von Programm sprechen, nur von den paar wenigen relativ sicheren und aktuellen Vorhaben. Wir haben uns noch nicht auf eine Linie geeinigt, weil da noch viel zu viele aufregende Ideen um uns herumschwirren, als dass wir unseren Fokus schon einengen wollten. Anfangs wird EVOLVER BOOKS sich natürlich sehr an dem orientieren, was es in der EVOLVER-Geschichte gab – sowohl, was Autoren und Texte betrifft, als auch die dahinterstehende Philosophie: gut geschrieben, goschert und politisch unkorrekt. Dem Leser etwas bieten, von dem er profitiert und auf das man als Autor oder Herausgeber stolz sein kann – aber sich keinen Augenblick lang was von ihm bieten lassen. Ich fand ja schon traditionelle Leserbriefschreiber extrem lästig; was sich ein großer Teil dieser soziopathischen Kommentatoren und Forenteilnehmer aber im Internet leistet, dieses hirnlose Nörgeln, natürlich meist hinter dem Schleier der Anonymität, geht mir unglaublich auf die Nerven. Daher, ihr Gscheitlinge: Ab heute wird zurückgeschossen. Wir wollen als der Verlag bekannt werden, der mit jedem anhängt, wenn’s notwendig ist, ob real oder im Web 2.0.
Kennt man den Begriff „anhängen“ übrigens in Deutschland? Das ist sowas wie „Wickel anfangen“, also: „streitert werden“. Hallo?! Versteht mich jemand?
Draxler: Also, wenn Sie gestatten, werde ich das übersetzen. Was der Herr Hiess sagen will, ist: wir machen keine Gefangenen. Es gibt nicht den geringsten Kompromiss, in keiner Hinsicht, es wird auch nicht da und dort inhaltlich ein bisschen die Handbremse gezogen, um vielleicht einen bestimmten Personenkreis nicht zu kompromittieren. Genau hier liegt nämlich das Problem vieler kleiner Verlage: Statt die
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