Die Lutherverschwörung - historischer Roman
Kälte dürfen wir keine Zeit verlieren.«
Anna stand beim Kamin und verschränkte die Arme vor der Brust, denn sie fühlte sich wie erstarrt vor Kälte. Sie hörte die Gespräche, als kämen sie von sehr weit her. AuÃer Lucas und ihr befanden sich sämtliche Malergesellen und die Hausknechte im Raum. Einige warfen ihr verstohlene Blicke zu.
Lucas drängte zur Eile, er begleitete seine Männer zur Tür und schob sie förmlich hinaus. Dann begann erneut das Warten. Anna ging im Zimmer auf und ab, Cranach saà am Tisch. Später stieÃen Barbara und der Apotheker zu ihnen, aber sie sprachen kaum etwas. Anna weigerte sich noch immer, etwas zu essen, schlieÃlich setzte sie sich zu den anderen. Als sie sich an den Kopf fasste, war er heià und fiebrig.
Nach und nach kehrten Cranachs Männer zurück; der letzte, als es bereits dämmerte. Immer wenn einer von ihnen den Raum betrat, flackerte in Anna ein Fünkchen Hoffnung auf â um sofort wieder der Enttäuschung zu weichen: Auch der letzte Bote brachte keine Neuigkeiten.
Cranach trat zu Anna. Sie bemerkte, dass seine Augen rot waren von der durchwachten Nacht.
»Du solltest dich hinlegen«, sagte er. »Ich werde mich um alles kümmern.«
»Denkst du vielleicht, ich könnte jetzt schlafen?«, fuhr Anna ihn an. »Was willst du denn noch tun, Lucas?«
»Ich werde die Stadtwache mobilisieren und die Bürgerwehr«, sagte er. »Jeder, der zwei Beine hat, soll sich an der Suche beteiligen. Sie kann ja nicht einfach vom Erdboden verschwunden sein.«
»Wenn sie nur nicht in den Fluss gefallen ist!«
»Daran wollen wir nicht denken.«
Auf die eisige Nacht folgte ein leuchtender, klarer Wintertag, der Annas Empfindungen zu spotten schien. Das Sonnenlicht schmerzte in den Augen und passte so gar nicht zu ihrer Verzweiflung. Sogar ein paar Vogelstimmen waren zu hören, als ahnten sie schon den kommenden Frühling. Mehr als fünfzig Männer, zum Teil beritten, waren ausgeschwärmt, um Martha zu suchen.
Anna kämpfte gegen den dunkelsten aller Gedanken an, doch sie durfte ihm keinen Raum geben. Sie suchte in der Stadt und auÃerhalb der Mauern einige Orte auf, von denen sie sich vorstellen konnte, dass Martha sich dort versteckt haben könnte. Vielleicht will sie sich an mir rächen, dachte Anna. Ich bin eine Rabenmutter! Irgendwann konnte sie die Augen nicht mehr aufhalten und ging auf ihre Kammer zurück, um sich kurz aufs Bett zu legen. Als sie sich jedoch erst einmal ausgestreckt hatte, schlief sie vor Erschöpfung ein.
Irgendwann â halb wach, halb im Schlaf â hörte sie ein Klopfen an der Tür: Erst glaubte sie, es sei ihr Herzschlag, ein dröhnendes, unruhiges Pochen. Dann wurde ihr bewusst, dass wirklich jemand vor der Tür stand und zu ihr wollte. Da ihr erster Gedanke Martha galt, richtete sie sich ruckartig auf.
»Martha? Bist du es?«
Wieder überkam sie dieser elende Schwindel. Aber Martha würde nicht anklopfen, das hatte sie noch nie getan. BarfüÃig eilte sie zur Tür. Als sie öffnete, stand Peter Zainer vor ihr. Wer hatte ihm überhaupt gesagt, wo er sie finden konnte? Anna fing an zu stottern, fragte ihn, wie spät es sei.
Zainer bat, sie möge ihn hereinlassen. Als sie über seine Schulter schaute, merkte sie, dass es bereits dunkel wurde. Hatte sie so lange geschlafen?
»Ich weiÃ, was geschehen ist«, sagte der Pilger.
Anna trat zur Seite und lieà ihn in ihre Kammer. Er blieb in der Mitte des Raumes stehen.
»Habt Ihr Martha gesehen?«, fragte sie.
»Mehr noch. Ich weiÃ, wo sie ist.«
Unaufgefordert setzte er sich an den Tisch. Anna betrachtete sein Gesicht, er wirkte sehr ernst.
»Wo ist sie?«
»Es geht ihr gut.«
Plötzlich begriff sie. »Ihr seid gar kein Pilger! Ihr habt uns alle zum Narren gehalten!«
Er schwieg lange, beugte sich schlieÃlich vor, seine gefalteten Hände lagen auf der Tischplatte.
»Martha ist in Sicherheit. Aber niemand wird sie finden.«
Anna dachte an Berichte von Männern, die schreckliche Dinge an Kindern verübten. Der Gedanke, dass Martha in die Hände eines solchen Menschen gefallen sein könnte, raubte ihr den Verstand. Wenn er ihr etwas angetan hat, dachte sie, töte ich ihn.
»Martha ist mit allem versorgt, es fehlt ihr an nichts. Wie es nun weitergeht, das liegt ganz allein bei Euch.«
»Aber
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