Die Lutherverschwörung - historischer Roman
immer unterdrücken lieÃ. Sie musste nach einem Lebenszeichen verlangen!
Anna ging hinunter und überquerte den Hof, in dem noch Schnee lag. Eine Krähe mit schwarzem, glänzendem Gefieder pickte an einem verschimmelten Apfel. Sie betrat die Küche, in der die beiden Mägde Gudrun und Judith das Mittagessen vorbereiteten. Anna schnitt sich eine Scheibe Brot von einem groÃen Laib und streute ein wenig Salz darauf. Gudrun erklärte, Cranach sei allein in der Werkstatt. Er habe die Gesellen beauftragt, weiter in den umliegenden Dörfern und am Fluss nach Martha zu suchen. Am Fluss, dachte Anna ⦠Sie suchen also bereits nach ihrer Leiche! Gudrun biss sich auf die Unterlippe, als sie Annas Gesichtsausdruck bemerkte.
Anna verlieà den Cranachhof. In den Gassen schaufelten winterlich gekleidete Männer und Frauen Schnee, der sich an manchen Stellen zu Miniaturgebirgen auftürmte. Ein Söldner kam ihr entgegen, sie hatte ihn einmal bei Cranach gesehen und wusste, dass er der Mann war, den der Fürst beauftragt hatte, Luthers Leben zu schützen. Sie begegneten sich am Eingang zum Marktplatz; im Hintergrund ragte die Stadtkirche in den Schneewolkenhimmel.
Möglicherweise seien seine Männer auf eine Spur gestoÃen, sagte der Söldner. Er war offenbar ein Mensch, der ohne Umwege zur Sache kam. Er begrüÃte sie nicht einmal. Als er hörte, was passiert sei, habe er fünfzehn Mann losgeschickt, sich an der Suche zu beteiligen. Einer seiner Männer sei gerade zurückgekehrt, er habe mit einem Zigeuner gesprochen und dieser habe ein Mädchen gesehen, auf das die Beschreibung von Martha passe.
»Wo war das?«
»In einem Dorf Richtung Süden. Etwa zwei Stunden von hier.«
»War Martha denn allein? Was hat sie dort gemacht?«
Der Söldner mahnte zur Vorsicht; sein Name fiel ihr wieder ein, er hieà Gessner. Seine Nase war etwas verbogen, sonst sah er eigentlich nicht übel aus.
»Wir können natürlich nicht mit Sicherheit sagen, dass es sich um Martha handelte. Wir wissen nicht, wie zuverlässig der Zeuge ist, und auÃerdem gibt es noch viele andere Mädchen, die etwa sieben Jahre alt sind und blonde Haare haben. Aber wir werden der Sache nachgehen. Was wir bisher herausgefunden haben ist Folgendes: Einer meiner Männer hat eine Gruppe Zigeuner, die mit dem Wagen über Land fuhren, auf Martha angesprochen. Ein kleiner Junge hat behauptet, sie gesehen zu haben â und zwar auf einem Pferd zusammen mit einem Mann. Sie hat vor dem Mann gesessen, und der hat sie festgehalten.«
»Wie hat der Mann ausgesehen?«, fragte Anna. »Und in welche Richtung sind sie geritten?«
»Der Junge konnte sich leider nicht daran erinnern, wie der Mann aussah. Dafür sind ihm die blonden Haare des Mädchens aufgefallen. Wohin sie ritten, wusste er auch nicht.«
»Das kann nur Martha gewesen sein!«
»Es ist möglich, aber nicht sicher«, wiederholte Gessner. Seine skeptische Art ging ihr auf die Nerven. Wollte er ihr nun helfen oder nicht?
»Und was gedenkt Ihr jetzt zu tun?« Ihre Frage klang gereizter als beabsichtigt, aber er blieb ruhig.
»Ich habe Cranach und die Stadtwache informiert. Man wird dort in der Gegend, von der der Junge sprach, nachforschen. Vielleicht führt diese Spur ja zum Ziel. Ich wünsche es sehr ⦠Aber bitte ⦠Macht Euch nicht allzu groÃe Hoffnungen!«
Eigentlich hätte sie ihm dankbar sein müssen, doch ihre Gemütslage lieà keinen Raum für solche Gefühle. Sie bat ihn nur, Bescheid zu sagen, wenn er Neues erfahren würde. Er gab ihr sein Wort darauf.
Anna verabschiedete sich von ihm. Mit weit ausholenden Schritten überquerte sie den Marktplatz Richtung Gasthof, aber die Wirtin sagte, der Pilger sei ausgegangen. Enttäuscht machte Anna sich auf den Rückweg zum Cranachhof.
Sie ging in ihre Kammer. Die Schuldgefühle waren fast unerträglich, und das nicht nur, weil sie Martha ins Freie geschickt hatte. Wahrscheinlich, überlegte Anna, hätte er sie früher oder später sowieso entführt; wenn nicht heute, dann bei einer anderen Gelegenheit. Trotzdem hätte sie Martha nicht gehen lassen dürfen. Sie hätte mehr Geduld mit ihr haben sollen; der Brief hätte warten können. Seit Bertholds Tod musste sie Vater und Mutter in einer Person sein.
Luther töten! Was für ein absurder Gedanke! Warum kam sie immer wieder
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