Die magische Fessel
dem Wissen.«
»Und Koraxett sagte es ihm«, erriet Fronja.
»Koraxett nahm den Knoten, zog an einem Ende, und vor Absams staunenden Augen löste der Knoten sich ganz wie von selbst auf.«
Mythor nickte.
»Ich verstehe. Für den, der mit Verstand und unverblendet an die Aufgabe heranging, war die Lösung denkbar einfach. Doch alle, die nach Tillorn kamen, dachten an ein großes Geheimnis und eine große Magie…«
»… und sahen den Strick vor lauter Knoten nicht«, vollendete Robbin. Von Mythor über die Schulter angesehen, bog er sich verlegen und fügte hinzu: »Eine Pfaderregel, sonst nichts. Eigentlich heißt sie: ›Siehst du den Weg vor lauter Stufen nicht, dann spring!‹ Ich habe sie etwas abgewandelt.«
Es klang abfällig, doch das verbarg die Wehmut des Pfaders nicht.
»Und was«, fragte Fronja, »bedeutet das für uns?«
»Mythor hatte von Anfang an recht«, erklärte Nadomir. »Ich lehnte seinen Vorschlag ab, doch nur deshalb, weil mir Robbins Pläne erfolgversprechend erschienen. Denn daß Yhr sich früher oder später selbst fesseln würde, war mir so klar wie Mythor. Die Frage war nur, wie lange dies dauern würde – vielleicht wirklich mehrere Menschenalter. Es kommt darauf an, Yhr dazu zu bringen, sich in sich selbst zu verstricken. In der Straße nach Nirgendwo deutete sich erst an, daß sie überaus verschlungenen Pfaden folgte. Jetzt ist sie durch die neuen, von ihr beschriebenen Irrwege soweit, daß nur noch eine Schlinge in ihrem Körper fehlt – und dann hat sie sich selbst gefangen.«
»Dann weißt du, wie der Tillornische Knoten zu knüpfen ist?«
»Natürlich weiß ich es, Mythor. Wie gesagt, auf unserem Weg ins Nirgendwo konnte ich mir noch nicht ganz sicher sein, wie weit uns Yhr von selbst entgegenkommen würde, und eine falsche Hoffnung, wenn ich geredet hätte, hätte uns allen nur geschadet bei den bevorstehenden Kraftproben.«
Mythor schwieg beeindruckt. Er legte die Hände auf den Rücken und sah lange auf das Steuerpendel, das Carlumens Kurs und Geschwindigkeit anzeigte und Befehle auf den Organismus der Fliegenden Stadt übertragen konnte.
»Noch eine Schlinge, sagst du, Nadomir. Wie bringen wir sie dazu, sie zu ziehen?«
»Es kann uns nur mit einer List gelingen. Wir haben mit dem Ausbruch aus der Straße ins Nirgendwo bewiesen, daß wir Carlumen unter günstigen Voraussetzungen in einem gewissen Umfang zu steuern vermögen. Ob wir es nun wieder können, spielt gar keine Rolle. Es kommt nur darauf an, daß Yhr weiß, daß wir uns einmal befreiten, und daß sie glaubt, wir versuchten es erneut. Sobald sie merkt, daß wir all unsere Kraft daransetzen, Carlumen in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken, wird sie in die genau entgegengesetzte ziehen.«
»Und in die, die sie die letzte Schlinge knüpfen läßt.« Mythor lächelte. »Wir steuern sozusagen vom Knoten weg, und Yhr reißt uns zurück und genau in ihn hinein und hindurch, sobald wir den Widerstand aufgeben und ihr ihren Willen lassen.«
»Und dann sitzt sie fest!«
8.
»So, wie Nadomir das sagt, klingt alles sehr einfach.« Fronja schüttelte den Kopf, daß das lange Haar ihr locker über die Schultern fiel. »Wenn du mich fragst, zu einfach, Mythor.«
»Du hast ja gehört, wenn man die Lösung einmal kennt, ist es fast kinderleicht. Die Schwierigkeit besteht darin, Yhr glauben zu machen, daß wir wahrhaftig einen erneuten Ausbruch versuchen. Deshalb müssen wir noch warten, bis die Aasen, Cryton, Glair und auch Nadomir wieder ganz bei Kräften sind. Es muß auf Yhr überzeugend wirken.«
»Cryton«, murmelte Fronja. »Ich hätte nie für möglich gehalten, daß er sich so erschöpfen konnte – ein Götterbote!«
»Wir wissen beide nicht, wie sehr er sich verausgaben mußte. Er kommt, wenn er gerufen wird, und sonst hält er sich zurück. Wir werden alle nicht schlau aus ihm.«
Sie bedachte ihn mit einem prüfenden Blick.
»Und aus Shaya?«
Mythor lachte und zog sie an sich. Sie waren allein in einer Unterkunft in der Pueblostadt, in die sie sich manchmal zurückzogen. Im Augenblick gab es für sie nichts zu tun. Nadomir würde kommen und ihnen Bescheid geben, sobald er den Zeitpunkt für den Scheinausbruch für gekommen hielt.
»Du brauchst gar nicht abzulenken, Mythor. Gerrek hat mir genug erzählt. Ich kann mir gut einen Reim darauf machen. Sie ist dir wieder erschienen. Warum erfahre ich das nicht von dir?«
Der Gorganer seufzte.
»Fronja! Endlich haben wir einen Moment Zeit für uns,
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