Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
Vom Netzwerk:
Ölkessel trug, leuchtete blutrot. »Und Herr Sebastian«, preßte er zwischen den Zähnen hervor, »wird schon wissen, was er tut. Schließlich ist es für Lippendorf nicht ganz unerheblich, ob die Medewitzer zufrieden sind.«
    Philippa wollte protestieren, doch ihr Vater hob nur warnend den Zeigefinger und machte sie auf den Torbogen aufmerksam. Im nächsten Augenblick heulte eine blecherne Fanfare auf. Der schrille Ton jagte Philippa einen Schauer über den Rücken. Mühsam reckte sie den Hals und erkannte zwischen den Köpfen der Diener eine zierliche Sänfte an zwei langen, blitzenden Messingstangen, die von vier schwitzenden Burschen auf den Hof geschleppt wurde. Die Sänfte war aus einfachem Holz gezimmert, besaß aber etliche Schnitzereien und Verzierungen. Unterhalb des gewölbten Daches prangte das Medewitzer Wappen, ein waagerechter goldener Schild mit zwei sich berührenden Morgensternen. Das Innere der Sänfte war mit kostbaren Pelzen sowie einer Decke aus grünem Samt und Goldrändern ausgeschlagen. Eine bunt gewürfelte Schar von Landsknechten folgte den Trägern zu Pferde. Die Männer trugen Helme, Harnische und Beinschienen über den bunten Hosen und schienen bestens gerüstet, ihre Herrin im Haus der ehemaligen Erzfeinde auf Tod und Leben zu verteidigen.
    Eilig lief Sebastian von Bora die wenigen Treppenstufen vom Portal des Hauses hinunter, um seine Braut willkommen zu heißen. Auf der untersten Stufe besann er sich und blieb einige Momente abwartend stehen. Als Angehöriger des Ritterstandes erschien es ihm angebracht, seine Aufregung vor der Dienerschaft nicht zu offen zur Schau zu tragen. Ein wenig störend empfand er die düsteren Blicke der drei Bewaffneten. Warum hatten sie ihre Spieße nicht am Tor abgelegt? Unsicher geworden versuchte er, seinen Vater in der Menge auszumachen. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, sämtliche Diener aufmarschieren zu lassen. Aber nun war es zu spät. Vor Verlegenheit schoß dem jungen Mann das Blut in den Kopf, und er hörte sein Herz wild durch die Rippen schlagen.
    »Willst du deiner Braut nicht wenigstens aus der Sänfte helfen, Sebastian?« hörte er plötzlich die Stimme seiner Schwester. Er drehte sich um und nickte ihr dankbar zu. Dann sprang er die letzten Stufen hinunter und lief zur Sänfte hinüber, welche die Träger mittlerweile neben dem prächtigen runden Hofbrunnen niedergesetzt hatten.
    Abekke von Medewitz lächelte, als Sebastian ihre Hand ergriff und sie galant zum Portal begleitete. Sie war tatsächlich von auffallender Schönheit, das mußte selbst Philippa zugeben. Ein wenig neidisch betrachtete sie ihren schlanken Körper und ihr Gesicht mit den regelmäßigen Zügen. Abekke trug eine kostbare Robe aus weichem, veilchenblauem Damast; ihr hellblondes Haar steckte bis zum Ansatz unter einem mit Rubinen und Perlen bestickten Kopfputz aus schimmernder Seide. Als einziges Schmuckstück hatte sie das goldene Medaillon mit dem Taubenkopf gewählt, das Sebastian ihr vor wenigen Wochen erst anläßlich eines Jagdausflugs um den Hals gelegt hatte. Als der junge Mann den zierlichen Schmuck bemerkte, begannen seine Augen zu leuchten. In freudiger Erwartung fuhr er sich mit der Hand durch das kurzgeschnittene dunkle Haar.
    Nikolaus von Bora beobachtete seinen Sohn, ohne eine Regung zu zeigen. Als er keine Anstalten machte, den Platz neben Golfried zu verlassen, traf ihn Sebastians vorwurfsvoller Blick.
    »Oh, ich bitte dich, Sebastian«, erwiderte Abekke auf seine Beschwerde und entblößte ihre makellosen weißen Zähne zu einem Lächeln, das noch bezaubernder war als jenes, mit dem sie ihren Bräutigam empfangen hatte. »Die Anstrengungen des jüngsten Pfandtages waren gewiß ein wenig zuviel für deinen Vater. Der arme Herr von Bora wirkt erschöpft, und es ist nur recht und billig, wenn ich mich zu ihm begebe und nicht umgekehrt.«
    Graziös machte sich Abekke von Sebastians Hand los, erklomm die Stufen zum Portal und versank vor ihrem zukünftigen Schwiegervater in einer demütigen Verbeugung. »Ich hoffe, Ihr nehmt mich in Euer Haus als Tochter auf, Euch zu dienen, und nicht als die Fremde, die ich eigentlich bin, Herr.«
    »Seid … nun, seid in meinem Haus willkommen, Abekke, meine Tochter«, stammelte Nikolaus von Bora, der auf alles gefaßt gewesen war, nur nicht darauf, daß die hochmütige Medewitzerin den uralten Brauch der sächsischen Hausnahme kannte und achtete. Auf seiner Stirn stand kalter Schweiß, dennoch rang er sich ein

Weitere Kostenlose Bücher