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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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freundliches Lächeln ab, streckte seine Arme aus und half der jungen Frau wieder auf die Beine. »Wenn die Verbindung zwischen Euch und meinem Sohn das Werk des Himmels ist, um unsere Familien einander wieder näher zu bringen, werde ich der letzte sein, der ihr seinen Segen vorenthält.«
    Nikolaus von Bora nickte seinem Sohn vorsichtig zu und blickte sich dann nach Philippa um.
    Im nächsten Moment wurde Philippa auch schon von Roswitha auf den Treppenabsatz geschoben. Erleichtert atmete Nikolaus von Bora auf. Wenigstens war die Tochter pünktlich und trug ein anständiges Kleid und nicht die scheußliche Kutte des Magisters, in der sie für gewöhnlich über ihren humanistischen Schriften brütete wie ein Stadtschreiber über seinem Aktuar. Benommen blickte Nikolaus auf die Schar der Umherstehenden.
    Es war kaum zu glauben, wie sehr seine beiden Kinder einander äußerlich ähnelten. Beide hatten das dichte italienische Haar ihrer Mutter und deren sonnengebräunte Haut geerbt. Doch während Philippas Augen Entschlossenheit und Tatendrang verrieten, trug Sebastian, ungeachtet seiner kräftigen Statur, eher weiche, schwermütige Züge. Er neigte zu Verständnis und Nachgiebigkeit, war allerdings zuweilen auch trotzig wie ein kleiner Knabe, der nicht bekam, was er sich in den Kopf gesetzt hatte.
    »Willkommen in Lippendorf, Fräulein Abekke«, sagte Philippa kühl und deutete eine Verbeugung an. »Ihr werdet unserem Haus gewiß den Glanz verleihen, den mein Bruder sich wünscht.«
    Einen Herzschlag lang gefror das Lächeln auf Abekkes Gesicht. Philippa erinnerten ihre Züge an die tönernen Masken von Gauklern, die zuweilen auf den Marktplätzen der Städte griechische Dramen aufführten und danach mit Kohl und Eiern beworfen wurden, weil kein Mensch ihre Rezitationen verstand. Doch ein guter Schausteller ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er wußte, daß die Menge um jeden Preis unterhalten sein wollte, und wenn ihm dies gelang, so erntete er nach dem Markttag nicht selten noch einige Kupfergroschen neben dem unerwünschten Kohl.
    Abekke trat einen Schritt vor, breitete beide Arme aus und drückte Philippa herzlich an sich. Das süße Parfüm der Medewitzerin raubte Philippa beinahe den Atem, aber sie wagte es nicht, sich aus der Umklammerung ihrer zukünftigen Schwägerin zu befreien, denn das Klatschen und Rufen auf dem Hof deutete darauf hin, daß Abekke soeben die Herzen sämtlicher Männer des Gutes erobert hatte. Direkt hinter ihr stand Sebastian und erteilte Golfried mit strahlender Miene die Anweisung, Abekkes bewaffneten Begleitern geräumige Kammern im Haupthaus zuzuweisen. Allem Anschein nach hatten die Medewitzer nicht vor, sofort zur Burg zurückzureiten, sondern wollten die Zeit bis zur Vermählung ihrer jungen Herrin auf dem Gut der von Boras verbringen.
    Eine halbe Ewigkeit verging, ehe Abekke Philippa jäh aus ihrem Griff entließ. Angewidert stolperte sie zurück. Nun würde ihr einziges Festgewand bis zum Jüngsten Tag nach dem schrecklichen Parfüm der Medewitzerin riechen. Mürrisch verfolgte sie, wie die blonde junge Frau Sebastians Hand ergriff, um sich von ihm ins Haus geleiten zu lassen. Hatte sie vielleicht Angst, auf der Treppe über eine Ziege zu stolpern?
    Am Portal drehte sich Abekke noch einmal nach ihr um. »Ich nehme an, wir sehen uns später noch beim Festmahl, liebste Philippa? Und vielen Dank, daß Ihr mich so freundlich empfangen habt. Ich fürchtete schon, Eure Geschäfte mit dem alten Mann im Dorf würden es Euch nicht erlauben, uns Gesellschaft zu leisten.« Sie schlug die Augen nieder und blickte unschuldig auf ein Büschel Gras, welches zwischen den Ritzen des Treppenabsatzes wucherte.
    »Geschäfte … im Dorf?« Sebastian funkelte seine Schwester wütend an. »Was, in drei Teufels Namen, hattest du heute morgen in Lippendorf verloren? Solltest du nicht die Dienerinnen im Saal beaufsichtigen?«
    Philippa errötete vor Ärger. Verliebtheit hin oder her, wie konnte ihr Bruder es wagen, sie in Anwesenheit dieser intriganten Fremden zu maßregeln. Hilfesuchend schaute sie sich nach ihrem Vater um, aber Nikolaus von Bora flüsterte mit Golfried und dachte gar nicht daran, seiner Tochter beizustehen. Philippa sah, wie sich Roswitha aus dem Schatten des Portals bewegte und kummervoll ihr Gesicht verzog. Wahrscheinlich bereut sie nun, daß sie heute morgen nicht selbst ins Dorf gegangen ist.
    »Sebastian, sei doch nicht so wütend auf deine kleine Schwester«, säuselte

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