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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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thun, damit wieder alles ausgeglichen werde.
    Ich habe diese Sache darum auch gleich am Anfange dieses Buches eingeschrieben, weil sie mich so erschreckt hat, daß nur eine Möglichkeit gewesen ist, daß ein solches Beginnen in meinen Sinn und in meine Denkweise kommen konnte!!
    Ich bin sehr traurig gewesen. Am Abende bin ich nach Hause gegangen, und habe mich in das Bett gelegt - nicht zum Schlafen. Den andern Tag habe ich mit mir allein zugebracht. Am folgenden bin ich zu dem Obrist hinauf gegangen. Er hat mir seine Lebensgeschichte erzählt, und hat mich sehr erschüttert. Dann hat er mich gefragt, ob ich zu Margarita hinüber gehen wollte, um mit ihr gütig zu reden; und da ich eingewilligt hatte, führte er mich durch den Gang und über die gelbe Rohrmatte in ihr erstes Zimmer hinein. Als sie in demselben nicht war, sagte er, ich solle hier warten, er werde sie holen - dann werde er selber nicht mehr heraus kommen, sondern durch das Bücherzimmer in seine Stube zurück gehen. Er kam auch nicht mehr heraus - es öffnete sich schwach der halbe Thürflügel, den der Obrist hinter sich offen gelassen hatte, und Margarita trat heraus. Ihre Augen waren auf mich gerichtet. Sie war so einfach schön, wie das Ding, wovon sie den Namen hat; denn Margarita heißt ja in der alten Römersprache die Perle. Der Obrist hatte nichts von dem gesagt, was ich hatte thun wollen, ich erkannte es wohl; denn sie hätte mich nicht mehr angesehen. Sie ging bis in die Mitte des Zimmers hervor, wo ich stand, ich reichte ihr die Hand, wie wir es gewöhnlich thaten, wenn wir in früheren Zeiten zusammen gekommen waren, sie nahm die Hand an, und dann ließen wir wieder los.
    »Margarita,« sagte ich, »euer Vater hat bei euch fürgesprochen, daß ich zu euch herüber kommen, und mit euch reden dürfe. Wir werden nun nicht mehr so oft zusammen kommen, und werden nicht so oft mit einander durch die Felder und Wälder gehen wie bisher - - ich werde weniger in das Haghaus herauf gehen können, als es in den vergangenen Zeiten der Fall gewesen ist - - - fürchtet euch nicht, ich werde heute nicht so reden, wie vorgestern, sondern gut und ruhig - ich werde euch um nichts bitten.« - -
    Sie hatte während dieser Worte nicht geantwortet, obwohl sie in Zwischenräumen gesagt worden waren, sondern war vor mir gestanden, und hatte ihre Arme an ihrem Kleide niederhängen lassen.
    »Margarita,« sagte ich dann wieder, »verzeihet mir.«
    »Ich habe euch nichts zu verzeihen,« antwortete sie, »ihr habt mir nichts gethan.«
    Während wir diese Worte sprachen, kam der Obrist wieder durch das Bücherzimmer zu uns herüber, und trug etwas in der Hand. Da er bis zu uns gelangt war, legte er es auf den Tisch nieder und sagte: »Hier sind einige getrocknete Stämmchen Edelweis. Sie sind die Hälfte von denen, welche mir meine Gattin gepflückt und auf den Hut gesteckt hat, als sie an ihrem letzten Tage mit mir auf dem hohen Gebirge gewesen war. Ihr werdet beide diese Pflanze nicht kennen, da sie hier nicht wächst, und werdet sie daher auch nicht in euren Kräuterbüchern haben. Ich gebe euch diese mehreren Stämmchen, theilt sie unter einander, und bewahret euch dieselben auf.«
    Als er dieses gesagt hatte, wendete er sich um und begab sich wieder durch das Bücherzimmer in seine Stube. Ich ging an den Tisch und sah das Edelweis an. Es waren zwölf Stämmchen. Ich legte sechs auf diese Seite, und sechs auf jene Seite, und sagte: »Margarita, ich habe die Pflanzen aus einander getheilt; diese hier sind die eurigen, diese die meinigen. Ist es so recht?«
    »Ja,« sagte sie.
    Hierauf schwiegen wir wieder eine Weile - dann sagte ich: »Ich werde jetzt mein Amt recht eifrig erfüllen, und allen Hülfsbedürftigen, nah und ferne, den willfährigsten Beistand leisten.«
    »Ja, thut das, thut das,« sprach sie lebhaft.
    Dann fuhr ich fort: »Denkt zuweilen an mich, Margarita, und wenn auch alles anders wurde, lasset doch mein Bild in mancher Zeit vor eure Augen treten.«
    »Ich habe geglaubt, daß ihr sehr gut und sehr sanft seid,« antwortete sie.
    »Ich bin es,« sagte ich, »ich bin es, Margarita, nur könnt ihr es jetzt noch nicht sehen, und könnt es jetzt noch nicht glauben. Drum lebet wohl Margarita, lebet recht wohl.«
    »Wartet noch ein wenig,« sagte sie.
    Dann trat sie an den Tisch, nahm jene Abtheilung des Edelweises, die ich als die ihrige bezeichnet hatte, legte sie auf meine Seite und sagte: »Nehmet dieses.«
    Ich sah auf sie, konnte aber ihr Angesicht

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