Die Mappe meines Urgrossvaters
schnell hinab, daß ich mir die Hände blutig riß. Dann ging ich nicht nach Hause, obgleich das Mittagessen auf mich wartete. Ich war gerade darum recht bald zu meinen Kranken gefahren, und war bald zurück gekommen, damit ich zu den Steinbrechen gehen, und ihr die Blumen, wenn ich einige fand, noch vor dem Essen bringen könnte. Jetzt waren keine Blumen nothwendig, und jetzt war es nicht nothwendig, daß ich nach Hause zu meinem Essen ging. Ich stieg vielmehr von dem Lidholze immer mehr nieder gegen die Thalrinne, in der das Lidwasser geht, das kaum jemand besucht, weil es so enge zwischen den Waldwänden hin geht, ein seichtes Wasser ist, und überall wilde Steine liegen, daß kein Weg in der Länge der Thalrinne möglich ist. Vorwärts gegen die grauen Felsen, die manchmal aus dem Schwarz und Grün der Wand hinaus steigen, schaut das Gedämmer und die Ruhe des Kirmwaldes herein, der sich aber auch immer drehte und hin und her rührte, wie ich abwärts stieg, bis er verschwand, und an den hohen Strebnissen des Grases, des Nachwuchses, der dürren Stämme, der Steine nichts nieder schaute, als der einzige schwermüthige Himmel. Ich ging ganz tief bis in den Kessel zurück, wo das Wasser ruhig im Grunde steht und seine stahlblauen Flecke zwischen den grünen Inseln, die auf ihm schwimmen, hervor leuchten - daneben steht der feuchte Stamm der Tanne, und der graubraune Fels, von dem das Wasser beständig, wie ein Firniß, nieder glitzert. Auf dem Wege dahin hatten mich die blauen Scheine unseres Waldenzianes gegrüßt und die breiten grünen Augen des Huflattigs, wo mein Fuß in den weichen brodigen Waldboden einsank. Ich beachtete sie nicht.
Ach, ich bin ja sonst nicht so zornig - es ist meine Art nicht so. Ein Rückfall in meine Kindheit mußte es sein, wo mich, wie der Vater sagte, meine früh verstorbene Mutter verweichlichte, daß ich oft, wenn mir ein Hinderniß entgegen kam, mich zu Boden warf und tobte. - -
Ich stieg von dem Lidkessel durch das Sandgerölle empor, indem ich die Hand wieder in die Gesträuche schlug, daß sie blutete, und mich an den hervorstehenden scharfen Steinen hielt, daß ich nicht nieder rollte. - Ich kam an dem Rotheck heraus, wo sich die Okersteine am Gipfel des Berges in die Luft drängen, und der Blick in die jenseitigen Länder geht; wo sich die lange Linie des Rothberges hin zieht, und die dortigen Waldbühel blau an blau hinaus gehen. Das Haus des Vetters Martin war nicht sichtbar, an dem Himmel streckten sich weiße stehende Wolken hin und auf meinem Boden war der Sand so roth gefärbt, daß ich mir die Schuhe beschmutzte, wie ich darüber hin ging, und gegen meine Linke abneigend wieder in die finstere Gesellschaft der Tannen einbog.
Ich hatte mir nun alles fest gesetzt, wie ich thun solle. - Ich ging in der großen Krümmung des Waldes herum, daß ich fast gegen Abend oberhalb des Eichenhages heraus kam, durch das ich in das Haus des Obrists ging. - Er selber war nicht zu Hause. Margarita, sagten sie, sei in dem Garten. Ich schritt durch das Hofthor in den Garten, sah sie aber dort nicht, und vermuthete sogleich, daß sie in das angrenzende Feld hinaus gegangen sein möge, weil das Hintergitter des Gartens offen stand. Ich sah sie wirklich, da ich das Gitter erreicht hatte und den Blick in das Freie that, an dem breiten Wiesensaume, der neben dem Korne lief, wandeln, wie sie in der lauen schönen Abendsonne den langen Schatten über das Getreide warf. Sie war allein - es war dieses nichts Wunderbares - aber ich verwunderte mich darüber. Nur die zwei schönen Wolfshunde ihres Vaters gingen ruhig neben ihr, sie lieben das Mädchen sehr, gehen ihm immer zu, und sind viel ruhiger, wenn Margarita in unserer Gesellschaft ist. Als ich in der Oeffnung des Gartengitters erschien und sie mich erblickten, sprangen und tanzten sie lustig gegen mich zu, und auch Margarita ging etwas schneller mir entgegen, da sie merkte, daß ich auf sie zu eile. Sie hatte das weiße Kleid an, war so schlank und schön, wie am Vormittage, und trug das reine Angesicht meinen Augen entgegen, so schimmernd und sanft, wie es am Vormittage gewesen war.
Sie nahm zuerst das Wort und sagte: »Ach - ihr seid nun da - wir waren schon in Sorge, daß euch etwas zugestoßen sein könnte; denn der Vetter Rudolph ist fort, und ist im Nachmittage noch bei euch gewesen, um Abschied zu nehmen - da sagten eure Leute, daß ihr wohl mit den Pferden schon nach Hause gekommen, aber wieder fort gegangen, und dann nicht einmal
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