Die Marseille-Connection
Stadt gefällt mir nicht.«
»Keine Sorge. Wir Chinesen sind diskret, auch wenn wir einander umbringen.«
Carlos Maidana nickte und drückte Freddie die Hand. »Nutze deine Karten gut, Amigo. Ciudad del Este wird immer schöner und fetter, und wir können ihre Herren bleiben.«
Garrincha wandte sich der Aussicht über die Stadt zu, um den beiden alten Dummköpfen nicht laut ins Gesicht zu lachen. Die Herrschaft dieser zwei bestand nur deswegen noch, weil sie als Erste hier eingetroffen waren und Polizei, Gerichtsbarkeit und Politiker auf ihren Gehaltslisten standen, aber Ciudad del Este änderte sich schwindelerregend schnell, und Leute wie sie würden bald von den Fujianesen und allen anderen, die tagtäglich mit neuen Ideen aus der ganzen Welt heranströmten, weggewischt werden. Auf der anderen Seite der Grenze, einen Katzensprung weit entfernt, lagen Brasilien mit Foz do Iguaçu und Argentinien mit Puerto Iguazú. La Triple Frontera . Drei Städte, in einem einzigen Pakt des Verbrechens miteinander verbunden: dem Schmuggel. Ciudad del Este aber, das er hier von oben betrachtete, war das pulsierende Herz all dessen. Dollar, Euro, Won und Guaraní gingen von Hand zu Hand, die Leute sprachen Spanisch, Portugiesisch, Arabisch, Russisch, Englisch, Chinesisch. Waffen und Drogen. Terrorismus und Finanzen. Elektronikteile und Markenkleidung. Originale und gefälschte Ware, ununterscheidbar. Alles bewegte sich unendlich rasch. Carlos undFreddie waren verflucht langsam, und das würde ihren Untergang bedeuten. Esteban Garrincha wandte den Blick zur Brücke der Freundschaft, dem Puente de la Amistad. Sie war voller ausländischer Käufer, die nach Hause zurückgingen, die Hände voller Tragetüten. Er konnte das Geld bis hier oben riechen. Garrincha seufzte. Er hatte nicht mit dreißig Jahren die sichere, bequeme Laufbahn als Unteroffizier bei der Infanterie aufgegeben, um im Heer von zwei alten Verlierern zu bleiben.
»Esteban.«
»Ja, Boss?«
»Begleite Freddie bitte zum Wagen.«
Aus dem Augenwinkel sah Garrincha, dass Maidana das Mädchen wieder zu sich gewunken hatte. Die Kleine hieß Lucita, und in dem Moment, wenn seine offizielle Frau die Situation nicht weiter duldete, würde Carlos sie in irgendein Bordell nach Asunción schicken. Ein endloses Heer von Schwänzen und Schluss mit dem Geld. Dann Drogen oder Alkohol.
Am Spätnachmittag hatte der Boss Garrincha zu einer Reitbahn wenige Kilometer außerhalb der Stadt bestellt. Carlos wurde von zwei Leibwächtern begleitet, von zwei Polizisten im Dienst und von Neto, seinem Fahrer. Garrincha ließ sich an einem Tisch nieder, der für einen Imbiss gedeckt war, und nahm eine Flasche Orangenlimonade aus einem eiswürfelgefüllten Eimer. Das gesamte Anwesen war für Marcela, Paulita und Iluminada gedacht, Maidanas nervige, verwöhnte Töchter. Neun, elf und vierzehn Jahre alt, eine schlimmer als die andere. Garrincha fand sie unerträglich, und er hatte den Verdacht, dass ihr Vater diese Abneigung teilte. Zur Abwechslungtrieben sie ihren Privatlehrer zur Verzweiflung, der ihnen am liebsten ein paar ordentliche Fußtritte verpasst oder zumindest losgeschrien hätte, um sich ein wenig Respekt zu verschaffen, stattdessen aber nichts tat, als panisch Richtung Maidana zu blicken. Er musste einem leid tun, so lächerlich war das.
»Wenn du zu den Fujianesen gehst, gib dir keine übertriebene Mühe«, sagte Carlos. »Tu so, als würdest du das Nötige unternehmen, aber nur, um meinen Freund Freddie Lau zufriedenzustellen.«
»Du meinst, sie sollen sich ruhig gegenseitig fertigmachen?«
»Das ist unvermeidlich. Wenn Freddie Lau mit dem Krieg beschäftigt ist, ist das Einkaufszentrum sein letztes Problem. Es wird teurer, als ich gedacht hatte, und je weniger ich teilen muss, desto schneller hat es sich amortisiert.«
»Wie soll ich mich verhalten?«
»Bitte um einen Waffenstillstand und ein Treffen, aber ohne irgendwelche substanziellen Garantien anzubieten. Die Fujianesen werden das zwar nicht annehmen, aber wir stehen vor Freddie gut da.«
»Kann ich dich noch was fragen?«
Maidana grinste. »Ich weiß auch schon, was. Warum ich Freddie nicht gleich selbst beseitige und das Geld für mich behalte?«
Esteban nickte.
»Weil Freddie die Triaden vertritt und ich keine Lust habe, mich mit einem so mächtigen Gegner anzulegen«, erklärte Carlos und wandte sich dann an Neto: »Und du bring mir mal diese Witzblattfigur her. Ich hab keine Lust, mein Geld aus dem Fenster zu
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