Die Marseille-Connection
machen, Surendra. Sie sind zu langsam, wir müssen mit der örtlichen Konkurrenz Schritt halten. Den Wettlauf mit den Chinesen haben wir schon verloren, wir können es uns nicht leisten, das Vertrauen unserer Kunden zu enttäuschen.«
Der Mann am Steuer deutete auf die Arbeiter. »Du irrst dich. Wir sind genauso schnell wie unsere besten Konkurrenten. Das Problem ist nur, auch die Gesündesten werden sehr schnell krank. Sie atmen zu viel Scheißdreck ein, weißt du.«
»Dann musst du sie eben schneller ersetzen«, schimpfte Banerjee. »Wie weit ist der Plan gediehen, tamilische Handlanger zu importieren?«
»Die ersten kommen in den nächsten Wochen, aber das sind immer ganze Familien. Man kann sie nicht wegschicken, wenn einer von ihnen krank wird, sonst will bald keiner mehr arbeiten.«
»Egal, such eine Lösung.«
»Ich verstehe dich nicht«, protestierte Surendra. »Hier läuft alles richtig gut, und du machst am Ende noch ein Plus, indem du die Abfälle und das andere Zeug entsorgst.«
»Ich kann mich nicht erinnern, dich an der Uni in Betriebswirtschaft gesehen zu haben«, meinte der Schnösel ironisch. Dann schlug er einen weniger scherzhaften Ton an. »Ich plane, du führst aus! Eine klare Rollenverteilung ist die Grundlage von gesunden Geschäften. Oder nicht?«
Das Klingeln seines Handys ersparte Surendra eine Antwort. Aufmerksam lauschte er dem ausgesprochen kurzen Anruf. »In der Klinik gibt es Probleme«, sagte er und legte den Rückwärtsgang ein.
»Klinik« war nicht ganz der passende Begriff für die kleine, moderne Einrichtung, die nach außen hin für diejenigen, die auf der Werft arbeiten mussten, eine minimale Gesundheitsfürsorge gewährleistete, vor allem bei den ständigen Verbrennungen durch die Schneidbrennerflammen, mit denen die unerfahrenen Leute hantierten. Die tatsächliche Tätigkeit dort war aber eine ganz andere, und eine schwedische Reporterin, Gulli Danielsson, hatte das herausgefunden. Jetzt sammelte sie mit Interviews und Fotos Informationen. Als der SUV mit Surendra und Mister Banerjee auf dem Parkplatz einfuhr, war das Objektiv ihrer Nikon gerade auf drei junge Männer gerichtet, die sich in Positur gestellt hatten und frische Narben auf Höhe ihrer Nieren darboten. Als sie Surendra sahen, verschwanden sie eilig. Die Journalistin wirkteverärgert, begann aber sogleich, sich auf dem Hof nach anderen Zeugen umzusehen. Sie übte diesen Beruf seit vielen Jahren aus, lange genug, um zu erkennen, dass dies eine Geschichte war, die sich weltweit verkaufen würde, und so ihre Karriere wieder in Schwung kommen könnte, die nach der Geburt ihres zweiten Kindes ins Stocken geraten war.
Sunil rief den örtlichen Polizeichef an. »Wie kann es passieren, dass sich eine Journalistin in meiner Klinik herumtreibt? Wir bezahlen euch fürstlich, damit ihr die Schnüffler fernhaltet.«
Der Beamte konnte es sich nicht erklären. Die Frau war in der Stadt, ohne die offizielle Erlaubnis eingeholt zu haben, die verpflichtend war, eben damit die Öffentlichkeit nicht zu viel von dem erfuhr, was in Alang vorging.
Banerjee legte wütend auf, winkte Surendra zu sich und flüsterte ihm etwas zu. Mit entschlossenem Gesichtsausdruck ging sein Handlanger los.
Gulli Danielsson war zu beschäftigt, um auf Vorsichtsmaßnahmen zu achten, und bemerkte Moti nicht, einen von Surendras Schlägern, der mit einer dünnen Gerte aus hartem Holz auf sie zuging. Er schlug sie ausschließlich ins Gesicht. Ein-, zwei-, fünfmal. Dann riss er ihr den Fotoapparat vom Hals und floh mit ihrer gesamten Ausrüstung. Das Gesicht der Reporterin war nur noch eine blutige Maske. Sunil bot ihr sein Taschentuch an und half ihr auf die Beine.
»Kommen Sie, Sie brauchen einen Arzt.«
»Er hat mir die Kamera gestohlen!«, jammerte die Frau.
»Wirklich schade. Da gibt man sich Mühe, seine Arbeit gut zu machen, und dann kommt so ein kleiner Gangster und macht alles kaputt. Aber Sie hatten Glück, das hätte noch viel schlimmer ausgehen können.«
Zwei Pfleger halfen ihr auf eine Liege, und ein Arzt verfrachtete sie mit einer Spritze ins Land der Träume.
»Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee war. Wenn die aufwacht, beschwert sie sich bei ihrer Botschaft«, meinte Kuzey Balta, der türkische Chirurg und Spezialist für Organentnahmen.
»Du hast recht. Wir sollten uns wirklich keine diplomatischen Verwicklungen an den Hals schaffen. Also, du entnimmst ihr beide Nieren und sämtliche anderen Organe, für die es in Mumbai
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