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Die Marseille-Connection

Die Marseille-Connection

Titel: Die Marseille-Connection Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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vielleicht ein gutes Wort bei meinem Boss für mich einlegen? Er behandelt mich nicht wie einen Stellvertreter, manchmal scheint er sogar zu vergessen, dass ich eines Tages seinen Posten übernehmen werde. Er wird ja wohl kaum eine von seinen Töchtern an die Spitze der Organisation stellen wollen …«
    Der Alte lächelte: »Ja, drei Töchter, das ist ein wahrer Fluch. Eine einfache Nachfolge wird es nicht geben können, ich wundere mich, dass du das noch nicht begriffen hast.«
    »Was begriffen?«
    »Dass nach Carlos’ Tod derjenige das Kommando übernimmt, der die internen Konkurrenten ausschaltet.«
    Garrincha begriff die Botschaft sofort. »Und er wird draußen mächtige und kluge Freunde brauchen.«
    Endlich geruhte Freddie ihn anzusehen. »Freunde, die frühzeitig deinen Mut und deine Treue zu schätzen gelernt haben.«
    Mit einem Lächeln neigte Esteban respektvoll den Kopf. »Ich danke Ihnen für Ihren kostbaren Rat.«
    Die Limousine fuhr auf den Parkplatz des Einkaufszentrums, das Esteban so sorgfältig erkundet hatte. Lau und die beiden Bodyguards folgten ihm durch die langen Gänge, unter die Menge von Menschen mit ihren Einkäufen gemischt. Garrincha gab dem Mann vor der Service-Tür, den er am Vortag schon bestochen hatte, ein Zeichen, und dieser öffnete diensteifrig.
    »Ich bedaure, Ihnen einen so langen Weg zumuten zu müssen, Señor Lau, aber das ist eine heikle Begegnung, sie verlangt uns manche Vorsichtsmaßnahmen ab.«
    »Du redest wie ein Anwalt«, spottete einer der Gorillas.
    »Um mich mach dir keine Sorgen, Esteban«, schnitt ihm der Alte das Wort ab.
    Im Aufzug drückte Garrincha den Knopf für das oberste Stockwerk. Er wartete kurz, dann fasste er über seinen Kopf, nahm den schweren Trommelrevolver aus der Deckenverkleidung, den er am Vortag dort versteckt hatte, und erschoss die beiden Leibwachen. Mit dröhnenden Ohren hielt er den Fahrstuhl an und drückte den Knopf für die Tiefgarage. Freddie Lau, vom Blut seiner Männer bespritzt, verzog keine Miene, sondern starrte den Verräter nur hasserfüllt an. Als dieTüren aufglitten, kamen drei Fujianesen mit Maschinengewehren gelaufen. Stoisch trat der Alte aus dem Fahrstuhl und sah seinem Schicksal mit dem Mut ins Auge, den seine Position verlangte.
    »Wo ist mein Geld?«, fragte Garrincha und versuchte verzweifelt, wieder etwas zu hören.
    Die Fujianesen eröffneten das Feuer. Lau wurde als Erster getroffen und deckte unwillentlich mit seinem Körper Garrincha, der das Feuer erwiderte, die vier in der Trommel verbleibenden Kugeln aber sofort verschossen hatte. Mit einem Satz konnte er sich in den Aufzug retten, in dessen sich schließende Türen die Kugeln einschlugen wie Hagel. Im Erdgeschoss warf er die blutbefleckte Jacke weg und ging rasch im Hemd weiter zum Ausgang. Nianzu, Laus Fahrer, bemerkte ihn und begriff unmittelbar, was vorgefallen war. Er nahm sein Mobiltelefon hervor und benachrichtigte seine Leute.
    Garrincha ging zum Puente de la Amistad. Darin, das Land zu verlassen, lag die einzige unsichere Chance zu überleben. Er war der allerletzte Idiot gewesen, ein wahrer pendejo , sein Leben war jetzt keinen Pfifferling mehr wert. Alle würden alle jagen. Maidana, die Triaden, die Fujianesen. Er hatte sich von Huang Zheng beschwatzen lassen wie ein dummer Junge.
    Er hatte nur noch ein paar Münzen in der Tasche statt der fünfzigtausend Dollar, die der Boss der Fujianesen ihm versprochen hatte. Er war am Arsch. Die sich vor der Grenze drängende Menge zwang ihn, langsamer zu werden. Er bekam keine Luft mehr. Ihm war, als würde er in seiner eigenen Dummheit untergehen. Einen Moment lang war er kurz davor, das Sicherungsnetz zu erklimmen und sich in den Paraná zu stürzen. Da kam ihm in den Sinn, dass es in Foz do Iguaçu jemanden gab, der ihm helfen konnte, und er ließ sich vomStrom der Leiber Richtung Zoll treiben. Ein großes Schild verkündete in eckigen Buchstaben: »Ihr seid stärker als die Drogen«.
    Die Grenzwachen betrachteten Garrincha aufmerksam. Er war der Einzige mit leeren Händen, er hatte Blutspritzer im Gesicht, aber keinen streifte auch nur die Idee, ihn aufzuhalten. Diese Menschenmenge konnte für eine Kleinigkeit in Aufruhr geraten, und gemäß ihrer Befehle beschränkten sie sich darauf, Stockungen zu vermeiden. Garrincha gelangte auf die brasilianische Seite und ließ Paraguay hinter sich, und zwar für immer, das schönste Land, das Gott je erschaffen hatte. An der Bushaltestelle stieg er in einen

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