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Die Maske

Die Maske

Titel: Die Maske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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schließlich fragte sie auch, welche Berufsaussichten es in meinem Fach
gebe. So gut es mir gelang, erzählte ich ihr, was ich über mich wußte, erzählte
es in ihr Katzengesicht hinein, das sich nicht veränderte, das nur gleichmütig
aufnahm. Einmal aber nahm sie meine Hand und drückte sie leicht; ich mußte es
als Zeichen ihrer Dankbarkeit auffassen. Wer erzählt, gibt ja unwillkürlich
etwas über sich selbst preis, ganz gleich, wovon und mit welchen Worten er erzählt,
selbst wenn Worte verbergen oder entstellen, bezeichnen sie den Erzähler.
    Ich hatte den Wunsch, sie zu küssen, doch ich
brachte es nicht fertig, meine Lippen auf die Maske zu drücken, obwohl Lenes
hellblaue Augen darauf zu warten schienen. Um ihre Nähe zu finden, rückte ich
an sie heran, legte einen lockeren Arm um ihre Schulter und stieß einen Laut
aus, einen, wie ich glaubte, schmeichelnden Laut. Sie lachte und antwortete mit
einem vergnügten Schnurren.
    Groß war meine Verblüffung, als sich der Bär nach
kurzer Unentschiedenheit neben den Frosch setzte; ihre Masken verheimlichten
nicht genug. Die Tätowierungen, die er am Oberarm trug, ließen keinen Zweifel,
daß der Bär Asmussen war, während sich hinter dem Frosch Hauke Just verbarg,
der seine Identität preisgab, als er sich aus seinem Schnupftabakbeutel
bediente. Auf der Insel wußte man, daß nicht nur sie, sondern auch ihre
Familien sich in Abneigung verbunden waren, man verdächtigte einander, heimlich
Netze und besonders Reusen zu leeren, und man konnte einander nicht verzeihen,
bei einer Hilfeleistung auf See versagt zu haben. Grußlos, sprachlos hatten
sie lange nebeneinander her gelebt; deshalb fand ihre Annäherung nicht nur
meine erhöhte Aufmerksamkeit. Der Bär und der Frosch taxierten sich gespannt,
jeder schien auf etwas zu warten; bei dem langsamen Gang der Gedanken, der
vielen auf der Insel eigen war, kam Geduld wie von selbst auf. Ich konnte nicht
entscheiden, wer von den beiden zuerst sein Glas ergriff, der Bär oder der
Frosch, jedenfalls hoben sie das Glas gegeneinander, tranken und lachten,
lachten gequält und hatten offenbar vergessen, was sie so lange Zeit getrennt
hatte. Opa Klaas, der das auch beobachtet hatte, zog sogleich seine Schlüsse
daraus, und mit einer Flasche Klarem kam er heran und schenkte nach.
    Lene prustete vor Begeisterung. Sie lüftete die
Maske und fächelte sich Luft zu; und dann sagte sie: „Hast du das gesehen, Jan?
Das kann doch nicht wahr sein.“
    Die Ente, die mit angenommenem Watschelgang
hereinkam und nach einem Platz Ausschau hielt, wurde mit zögerndem Beifall
empfangen. Es konnte nicht nur, es mußte Frauke Pienkogel sein. Alle erkannten
sie. Nicht sehr beliebt, lebte sie allein in einem großen Strohdachhaus, doch
wenn sie auch nicht beliebt war, so sprach man doch über sie mit einer Art
dunklem Respekt. Ein Grund dafür bestand darin, daß sie auf der Insel die
einzige war, die aus der Hand lesen konnte, und dies auch gegen Honorar tat, für
Einheimische, für Sommergäste und auch für Seeleute, die hier kurz vor Anker
gegangen waren. Opa Klaas beugte sich über mich und flüsterte: „Die magerste
Ente, die sich jemals ins Blinkfeuer verirrt hat.“ Ohne nach ihrem Wunsch zu fragen,
servierte er ihr einen doppelten Klaren. Ich wollte ihr zutrinken. Sie wandte
sich zunächst ab, bedachte sich offenbar und entschied sich dann doch, ihr
Glas zu heben. Warum sie mir spaßhaft drohte, habe ich nicht gleich verstanden;
ich vermutete, daß ihre Drohung dem Drachen galt.
    Ausgelassenheit breitete sich aus, man wechselte
Tierlaute, man imitierte Gesten der Sympathie. Die Stimmung stieg noch, als
Opa Klaas, nach kurzer Abwesenheit, mit der stilisierten Maske eines Hundes
erschien und mit heiserem Bellen und Röcheln begrüßt wurde. Selbst Ingo Dornholt
bellte, von dem alle wußten, daß er einen Prozeß gegen Opa Klaas verloren
hatte; Ingo, der die Maske eines Affen trug. Es wunderte uns nicht, daß beide
sich die Hand gaben und den Händedruck dauern ließen. Lene schmiegte sich an
mich. Sie sagte: „Schön, nicht?“ Ich nahm die Maske ab und küßte sie, und sie
erwiderte meinen Kuß.
    Als hätte Opa Klaas unsere Wünsche erahnt, besprach
er sich mit Fiersen, seinem Koch, und wie so oft, verwöhnt vom Beifall,
erschien Fiersen mit seinem Schifferklavier und dankte mit der Erkennungsmelodie Ein Schiff fährt nach Shanghai. Ich traute meinen Augen nicht, denn die ersten Tänzer
waren der Bär und die Ente. Sie tanzten

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