Die Masken der Liebe
Elisabeth Konradi an.
»Ob sie Brigitte gefunden haben?« fragte Elisabeth bang. »Hatten wir nicht ausgemacht, daß die Gruppe, die auf Gitti stößt, umkehrt?«
Heinz Konradi schüttelte den Kopf. Ein anderer Gedanke war ihm plötzlich gekommen.
»Ich habe einen großen Organisationsfehler begangen«, sagte er. »Einen ausgesprochenen Bock habe ich geschossen. Ich hätte Erich nie und nimmer mit Anny allein in den Wald schicken dürfen.«
»Du meinst …?«
»Ich weiß doch, worauf Erich seit langem scharf ist.«
»Aber doch nicht heute nacht, Heinz, wenn er Brigitte suchen soll. Das wäre der Gipfel der Geschmacklosigkeit.«
»Es ist immer noch nicht raus, ob diesen Gipfel, von dem du sprichst, nicht schon vorher Brigitte erklommen hat.«
»Heinz!!«
»Ja?«
»Wie oft soll ich dir noch sagen: Meine Schwester tut das nicht!«
»Komm!« antwortete Heinz, um der Debatte ein Ende zu machen, und ergriff seine Frau am Arm.
»Wohin?«
»Wir müssen den Dorfpolizisten ausfindig machen.«
»Und wo? frage ich dich. Hast du eine Ahnung, wo wir ihn finden?«
»Nein. Aber das werden uns die sagen.«
Dabei zeigte Heinz auf den vor ihnen liegenden Gasthof ›Zur Post‹. Daß sich in demselben um diese Zeit keine Seele regte, war klar. Alles schlief. Die Fensterläden waren geschlossen. Elisabeth schaute zweifelnd drein.
»Willst du die wecken?«
»Was bleibt mir denn anderes übrig, mein Schatz?«
»Die werden nicht begeistert sein, Heinz.«
»Vielleicht schütten sie mir einen Nachttopf über den Kopf, aber wir haben keine andere Wahl.«
»O Gott«, seufzte Elisabeth, »und die Reinigung hat wegen Renovierung acht Tage zu. Was mache ich mit deinen Sachen?«
»Die wäschst du mir schön brav!« sagte Heinz Konradi grimmig, trat an die dicke Eichentür des Gasthofs und hieb mit der Faust kräftig gegen die Füllung. Dumpf, widerhallend dröhnten die Schläge durch das stille Gebäude. Der Krach mußte Taube erwachen lassen.
Immer und immer wieder schlug Heinz Konradi gegen die Tür. Endlich, nach langem, klappte im ersten Stockwerk ein Fensterladen auf und eine junge Frau im Nachthemd steckte den zerzausten Kopf durch das Fenster.
»Ja?« fragte sie unwillig. »Was ist denn? Was wollen Sie denn?«
»Verzeihen Sie, wir suchen jemanden!« rief Konradi hinauf. »Es ist ein Notfall. Wo finden wir hier die Polizei?«
»Welcher Notfall?« fragte die Frau, deren Neugierde sofort erwacht war.
»Es ist jemand verschwunden. Deshalb brauchen wir die Polizei.«
»Hier gibt's nur einen Polizisten.«
»Das haben wir uns schon gedacht. Wo finden wir ihn?«
»Gehen Sie die Hauptstraße ganz hinunter, übers Spritzenhaus hinaus. Dann kommen auf der linken Seite drei einzelne Häuser. Im mittleren wohnt der Wachtmeister Behrens.«
»Danke.«
»Bitte, gern geschehen. Wer ist denn verschwunden? Ein Kind?«
»Nein.«
»Ein Erwachsener?«
»Ja.«
»Ein Mann oder eine Frau?«
»Eine Frau.«
»Das habe ich mir gedacht, eine Frau. Ist ja wohl klar, nicht? Zustände sind das heutzutage, das geht auf keine Kuhhaut mehr! Wenn Sie ein bißchen warten, komme ich runter …«
»Wozu?«
»Ich bringe Sie zum Behrens. Er war gestern abend wieder lange hier bei uns und wird nicht leicht zu wecken sein. Aber ich kenne mich aus mit ihm und –«
»Danke, nicht nötig, wir werden das schon schaffen«, unterbrach Heinz die hilfsbereite, neugierige Seele und zog Elisabeth mit sich fort.
Die Sterne verblaßten am Himmel. Im Osten zeigte sich ein fahler Streifen, der von den Wolkenrändern langsam über die Kuppen der Berge zog und die Nebelschleier aus den Schluchten empor zu den dunklen Wäldern lockte. Es war kühl und feucht und roch nach frisch besprengter Erde. Ein Duft nach Pilzen hing auch in der Luft.
Erich Kiel und Anny von Borcken saßen noch immer auf der Bank neben dem Kreuz. Sie hatten in den vergangenen Stunden wenig miteinander geredet, aber um so mehr, jeder für sich, gedacht, und die wenigen Worte, die man sprach, waren einfach und ohne Romantik.
»Es ist dumm, nachts unter einem Baum auf einer Bank zu sitzen und hinauf zu den Sternen zu starren. Und dazu auch noch eine Stunde durch den Wald zu laufen und Berge zu erklettern«, meinte Anny von Borcken und legte den Kopf weit in den Nacken.
»Wir sollten eigentlich diese Brigitte Borgfeldt suchen«, wagte Erich Kiel zu antworten. Er war in der letzten Viertelstunde noch stiller geworden als Anny und gab sich reichlich lyrisch.
»Brigitte?« Anny winkte ab
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