Die Masken der Liebe
schien er es zu lieben, sich schrecklich gewählt und geschraubt auszudrücken.
Schnell fand er heraus, daß Brigitte zu Besuch hier war, und erbot sich, mit ihr quer durch die Bucht zu schwimmen. Dabei zeigte er dann seine Schwimm- und Tauchkünste, verweilte mit Brigitte eine Zeitlang am anderen Ufer, brachte sie aber unbescholten und in Ehren zurück. Das war damals noch nicht so ungewöhnlich wie heute.
Und auch Brigitte Borgfeldt selbst fand es nett und richtig so. Man tauschte die Adressen aus mit dem festen (inneren) Entschluß, sich (nicht) zu schreiben, und fuhr dann mit der Eisenbahn am Abend wieder zurück nach Ebbenrath, lustig, frisch, jung, voller Sonne. Heinz Konradi war zufrieden mit sich, mit Elisabeth und besonders auch mit Brigitte.
Das ist eigentlich alles.
Recht mager, nicht wahr? Wo ist da die Pointe? Wenn weiter nichts geschieht, warum dann erst so große Einleitungen?
Und wirklich – es geschah drei Jahre lang nichts mehr.
Absolut nichts.
Herr Herbert Sanke war vergessen. Ein Sommerflirt – mehr nicht.
Und jetzt geht's los!
Die Währungsreform lag hinter Heinz Konradi und seiner Frau. Da Heinz weder Metzgermeister noch Zigarettenhändler noch Dachziegelhersteller oder etwas Ähnliches gewesen war, hatte er vor der Währungsreform nichts zu bieten gehabt. Darum änderte sich auch nach der Währungsreform nichts. Für den Lebensunterhalt mußte seine Frau sorgen. Elisabeth, traditionsgemäß als Lehrerin ausgebildet, nahm deshalb den Schuldienst wieder auf. Sie lehrte 84 Schüler die Grundbegriffe der deutschen Sprache, während Heinz sich mit den Konkursen seiner Verleger abzufinden hatte und seine nunmehrige Arbeit darin bestand, anstelle seiner Frau Kartoffeln zu schälen, zu kochen und auch am Abwasch des Geschirrs teilzunehmen.
So stand er auch heute in der Küche und trocknete das Geschirr ab, das ihm seine Frau herüberreichte, als es klopfte und ein großer Herr in einem grauen Sportanzug in die Wohnung trat. Seine Brust war breit, sein Kreuz mächtig wie das eines Möbelpackers, und seine Stimme war von einem dröhnenden Klang.
»Guten Tag«, sagte der Herr und lächelte freundlich, mit einer fast plumpen Vertraulichkeit. »Mich schickt der Schulleiter …«
»Dann wollen Sie zu meiner Frau«, nickte Heinz Konradi. Ihn hatte es durchzuckt. Diese Stimme, dachte er. Verdammt, woher kennst du diese Stimme? Auch der ganze Kerl kommt dir bekannt vor … Aber woher?
Vor demselben Rätsel stand Elisabeth, seine Frau.
Forschend betrachtete Heinz den Herrn und stellte den Suppenteller, den er gerade abgetrocknet hatte, auf den Tisch.
»Um was geht es?«
»Wie gesagt, der Schulleiter schickt mich zu Ihrer verehrten Frau Gemahlin. Ich bin Vertreter. Meine Firma stellt Lehrmittel her, wir …«
»Sagen Sie, kennen wir uns nicht?« unterbrach Konradi den Mann.
»Dasselbe wollte ich Sie auch schon fragen.«
»Wie heißen Sie denn?«
»Sanke.«
»Sanke?«
»Ja. Und Sie?«
»Konradi.«
»Konradi?«
»Heinz Konradi.«
Bei den beiden hätte es noch nicht gezündet, wenn nicht Elisabeth im Hintergrund plötzlich gerufen hätte: »Ich weiß! Am Stausee! Vor zwei oder drei Jahren!«
»Ach was!« korrigierte Heinz sie. »Der war doch damals Milchprüfer!«
Und er wandte sich an Herrn Sanke: »Oder haben Sie einen Bruder, der Milchprüfer ist?«
»Nein«, lachte Sanke. »Ihre Frau Gemahlin hat recht, ich bin ein und derselbe, ich habe meinen Beruf gewechselt.«
Des Rätsels Lösung war also gefunden.
Die drei begrüßten sich nun noch einmal weitaus herzlicher, sie schüttelten sich die Hände, dann sagte Sanke zögernd: »Und was macht Ihre … ich glaube, es war Ihre Schwester, Herr Konradi bzw. Ihre Schwägerin, Frau Konradi …?«
»Genau umgekehrt«, lachte Heinz Konradi, »meine Schwägerin und die Schwester meiner Frau.«
»Hieß sie nicht …?« Sanke stockte.
»Brigitte«, fiel Konradi ein.
»Richtig – Brigitte. Oft habe ich an sie gedacht. Die Adresse hatte ich verloren, leider. Aber die kurzen, schönen Stunden konnte ich nie vergessen … sie waren so sorglos, unbeschwert … ich habe damals das erstemal richtig aus ganzer Seele gelacht, das erstemal wieder … nachdem ich zurückgekommen war … aus Rußland … aus dem Ural … mit Wasser in den Beinen bis zum Nabel … Na, Schwamm drüber … wir haben es überstanden. Dieser Sommertag am Stausee hat mir gezeigt, daß das Leben doch noch schön sein kann … Ja, die Brigitte …«
Und damit fing es
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