Die Medica von Bologna / Roman
bei mir. Es war eine niederschmetternde Erkenntnis, die ich aber, nach einiger Überlegung, gefasst aufnahm. Der Verlauf der Schüttellähmung war immer gleich und führte unweigerlich zum Tod. Das Zittern und die Lähmungen würden sich weiter verstärken, meine Bewegungen würden immer hilfloser werden. Die Schmerzen würden zunehmen, die Schritte kürzer werden, der Atem flacher, die Körperhaltung krummer. Irgendwann würde ich meinen letzten Atemzug tun, vielleicht in einem Jahr, vielleicht in zehn Jahren, das lag allein in Gottes Hand.
Bis dahin aber wollte ich nicht verhungern und nicht verdursten, denn seltsamerweise hing ich am Leben. Ich beschloss, meine Anonymität aufzugeben und mich Tasco anzuvertrauen. Ihm wollte ich sagen, wo genau ich lebte, und ihn bitten, mir bis zum Ende die lebensnotwendigen Dinge zu bringen. Ich würde nicht viel brauchen.
An einem späten Frühlingstag stieg ich mit langsamen, vorsichtigen Schritten zu Tal und stellte mich an den Weg, von dem ich wusste, dass Tasco ihn häufig mit Bocco benutzte. Ich hatte Glück. Ich wartete noch keine Stunde, da kam er schon, fröhlich pfeifend an der Seite seines Grautiers. »
Buongiorno,
Tasco«, sagte ich.
»Nanu, Maria! Dich hätte ich nicht erwartet. Was treibt dich herunter von den Bergen?«
Ich schilderte ihm meine Situation mit kurzen Worten, wobei ich nicht näher auf die Hintergründe einging, warum Latif mich verlassen hatte. Ich sprach von meiner Einsamkeit und von der Krankheit, die mich befallen hatte. Ich sagte: »Es kann sein, dass ich in einem Monat bettlägerig sein werde, es kann aber auch sein, dass es erst in einem oder mehreren Jahren so weit ist. Die Schüttellähmung ist eine tückische Krankheit, die niemand heilen kann. Würdest du hin und wieder nach mir sehen und mir etwas zu essen bringen? Wasser habe ich genug, ich lebe in einer Höhle an einem Nebenarm der Nera. Ich nenne sie Grotta delle Rifugio.«
»Grotta delle Rifugio? Das klingt einladend.« Tasco tätschelte Bocco den Hals, und dieser spielte mit den Ohren. »Natürlich helfe ich dir, aber ich kann nicht versprechen, dass ich regelmäßig komme, allein schon wegen des Wetters. Wo genau lebst du denn?«
Ich erklärte ihm, wie er zu meiner Höhle fände, und er sagte: »Das scheint in der Tat ein Ort zu sein, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Aber ich werde dich schon finden.«
»Ich danke dir, Tasco«, sagte ich. »Du bist ein guter Mensch. Leider habe ich nichts, was ich dir für deine Hilfe geben könnte.«
Der Händler lachte, und sein Gesicht zersprang in tausend Fältchen. »Man muss nicht immer für alles etwas geben. Wenn ich zu dir komme, Maria, dann komme ich gern. Und nun: Gott befohlen! Bocco und ich müssen weiter.«
»Gott befohlen«, murmelte ich. Ich schaute ihm nach und fragte mich, ob er sein Versprechen einhalten würde.
Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen, denn keine vier Wochen später besuchte er mich, mehrere Würste und einen Schinken im Gepäck. »Es ist schön, dass du da bist, obwohl mein Zustand sich nicht wesentlich verschlechtert hat«, sagte ich.
»Ich habe gesagt, ich komme, also komme ich!« Tasco ließ sich in meiner Höhle nieder, nachdem er sie sorgsam inspiziert hatte. »Du lebst nicht schlecht hier. Bist du immer noch allein?«
Ich wusste genau, dass er mit seiner Frage auf Latifs Fortgehen abzielte, aber ich stellte mich dumm und antwortete: »Ich bin nicht allein. Compagna und Figliolo sind bei mir. Sie können es mit jeder menschlichen Gesellschaft aufnehmen. Aber wenn ich einmal nicht mehr aufstehen können sollte, bitte ich dich, sie freizulassen.«
Wir plauderten noch eine Weile, und als Tasco sich verabschiedete, gab ich ihm ein paar irdene Gefäße mit Kräuterarzneien. »Die sind für die Würste und den Schinken«, sagte ich. »Bringe mir beim nächsten Mal die Gefäße wieder mit, dann will ich sie dir erneut füllen.«
»Das mache ich, Maria.«
»Und vielleicht kannst du in der Kirche von San Martino eine Kerze anzünden?«
»Auch das mache ich.«
»Du bist ein guter Mensch, Tasco.«
»Ach was,
arrivederci,
Maria,«
»
Arrivederci,
Tasco.«
Wieder ging ein Winter ins Land, das neue Jahr kam, und mein Zustand wurde nicht besser. Im Frühjahr und Sommer besuchte mich der treue Tasco und munterte mich auf. Als er bemerkte, dass ich langsamer und leiser sprach, sagte er: »Ich nehme an, das hängt mit deiner Krankheit zusammen, Maria, aber glaube mir: Ich verstehe dich
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