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Die Mglichkeit einer Insel

Die Mglichkeit einer Insel

Titel: Die Mglichkeit einer Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Bar, die er erwähnt hat, war keine Spur mehr zu sehen, die Straße bestand nur noch aus zwei geschwärzten Hauswänden, von der eine zufällig noch mit einem Straßenschild versehen war. Plötzlich kam ich auf die Idee, die Calle San Isidor zu suchen, wo im letzten Stock des Hauses mit der Nummer 3 die Geburtstagsparty stattgefunden hatte, die das Ende ihrer Beziehung bedeutet hatte. Ich erinnerte mich noch ziemlich gut an den Plan der Innenstadt von Madrid, so wie sie zu Daniels Zeit aussah; manche Straßen waren völlig zerstört, andere unversehrt, ohne daß man eine Logik darin erkennen konnte. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis ich das Haus fand, das ich suchte; es stand noch. Ich ging in den obersten Stock, wobei ich Wolken von Betonstaub aufwirbelte. Die Möbel, die Wandbehänge und die Teppiche waren verschwunden; auf dem schmutzigen Fußboden waren nur noch ein paar vertrocknete Kothäufchen zu sehen. Nachdenklich ging ich durch die Räume, in denen Daniel vermutlich einen der schlimmsten Augenblicke seines Lebens verbracht hatte. Ich ging auf die Terrasse, von der er die Stadt betrachtet hatte, direkt bevor er zum letzten Sprint auf der Zielgeraden ansetzte, wie er es genannt hatte. Ich konnte es mir natürlich nicht verkneifen, noch einmal über die Leidenschaft der Liebe bei den Menschen nachzusinnen, über die erschreckende Gewalt dieses Triebs und ihre Bedeutung für den genetischen Haushalt der Gattung. Jetzt rief diese Landschaft aus verkohlten, zerstörten Gebäuden und staubigen Schutthalden einen besänftigenden Eindruck hervor, und ihre dunkelgrauen Schattierungen regten dazu an, sich wehmütig von der Welt zu lösen. Der Anblick, der sich mir bot, war auf allen Seiten etwa der gleiche, aber ich wußte, daß ich, sobald ich die große Verwerfung hinter mir gelassen hatte, im Südwesten auf der Höhe von Leganes oder möglicherweise Fuenlabrada die Große Graue Ebene überqueren mußte. Estremadura und Portugal gab es nicht mehr als unterschiedliche Regionen. Eine Folge von Kernexplosionen, Flutwellen und Zyklonen, die dieses geographische Gebiet mehrere Jahrhunderte lang heimsuchten, hatten ihre Oberfläche völlig abgeschliffen und sie in eine riesige schiefe Ebene mit schwachem Gefälle verwandelt, die auf den Satellitenphotos als eine einheitlich mit hellgrauer pulvriger Asche bedeckte Zone zu erkennen war. Diese schiefe Ebene erstreckte sich über etwa zweitausendfünfhundert Kilometer, bevor eine relativ unbekannte Region der Erde kam, die in der Zone angesiedelt war, wo sich früher die Kanarischen Inseln befunden hatten, eine Region, in der der Himmel fast ständig bewölkt und diesig war. Die wenigen verfügbaren Satellitenaufnahmen waren aufgrund der störenden Wolkenbildung recht unzuverlässig. Lanzarote konnte eine Halbinsel geblieben, zu einer Insel geworden oder völlig verschwunden sein; das waren die geographischen Gegebenheiten meiner Reise. Physiologisch gesehen war es sicher, daß es mir an Wasser fehlen würde. Wenn ich jeden Tag zwanzig Stunden marschierte, konnte ich pro Tag hundertfünfzig Kilometer zurücklegen, ich würde also etwas mehr als zwei Wochen brauchen, bis ich die maritime Zone erreichte, falls es sie überhaupt gab. Ich wußte nicht, wie mein Organismus auf den Wassermangel reagieren würde, denn er war wohl noch nie so extremen Bedingungen ausgesetzt worden. Ehe ich mich auf den Weg machte, dachte ich noch einmal an Marie23, die auf ihrem Weg von New York ähnliche Schwierigkeiten erlebt haben mußte; meine Gedanken verweilten auch noch einmal bei den früheren Menschen, die bei solchen Gelegenheit ihre Seele Gott befahlen; ich bedauerte, daß es keinen Gott oder ein vergleichbares Wesen gab. Schließlich ließ ich meinen Geist in die höheren Gefilde der Hoffnung auf die Ankunft der Zukünftigen aufsteigen.
    Im Gegensatz zu uns sind die Zukünftigen keine Maschinen und nicht einmal wirklich getrennte Geschöpfe. Sie sind eins und trotzdem unterschiedlich. Nichts kann uns ein genaues Bild vom Wesen der Zukünftigen geben. Das Licht ist eins, aber seine Strahlen sind unzählig. Ich habe den Sinn des WORTS wiedergefunden; die Kadaver und die Asche sowie die Erinnerung an den guten Hund Fox werden meine Schritte leiten.
    Bei Tagesanbruch brach ich auf, umgeben vom zunehmenden Geräusch der fliehenden Wilden. Nachdem ich die zerstörten Vorstädte hinter mir gelassen hatte, erreichte ich gegen Mittag die Große Graue Ebene. Ich ließ meinen Karabiner zurück,

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