Die Morde des Herrn ABC
marktschreierisch – aber Sie verstehen, was ich meine? Das könnte ihn vielleicht aufscheuchen.»
«Das wäre eine Möglichkeit – ja.»
«Es könnte ihn dazu verführen, mich ausfindig machen zu wollen.»
«Ich halte diesen Vorschlag für gefährlich und dumm», fuhr Thora Grey auf. «Was sagen Sie dazu, Monsieur Poirot?»
«Es kann nicht schaden, es zu versuchen. Ich persönlich glaube, dass ABC zu schlau ist, darauf zu antworten.»
Poirot lächelte verstohlen. «Ich bemerke, Mr. Clarke, dass Sie im Grunde Ihres Herzens noch immer ein kleiner Junge geblieben sind – wenn ich das sagen darf, ohne Sie zu verletzen.»
Franklin Clarke sah ein wenig beschämt vor sich hin. «Also, dann wollen wir anfangen», sagte er und las aus seinem Notizbuch vor:
«A – Miss Barnard und Miss Higley.
B – Mr. Fraser und Miss Higley.
C – Miss Drewer und die Kinder in Andover.
D – ein Inserat aufgeben.
Ich glaube zwar nicht, dass diese Unternehmen von Erfolg gekrönt sein werden, aber sie werden uns die Wartezeit etwas verkürzen.»
Er stand auf, und wenige Minuten später hatte sich die Versammlung in alle Winde zerstreut.
19
P oirot setzte sich wieder an seinen Platz und summte eine Melodie.
«Ein Pech, dass sie so intelligent ist», brummte er plötzlich.
«Wer?»
«Megan Barnard. Mademoiselle Megan. ‹Leere Worte!› zischt sie mich unversehens an, weil sie sofort bemerkt hat, dass alles, was ich sage, keinen Sinn ergibt! Ihr anderen seid prompt auf mein Gefasel hereingefallen.»
«Ich fand, was Sie sagten, sehr einleuchtend.»
«Einleuchtend!»
«Waren Sie selber denn nicht überzeugt von dem, was Sie vortrugen?»
«Was ich euch da auseinandersetzte, hätte in einem einzigen Satz Platz gefunden! Stattdessen wiederholte ich mich ad libitum, und niemand außer Miss Megan hat das auch nur bemerkt.»
«Und weshalb taten Sie das?»
«Eh bien – um die Dinge in Fluss zu halten. Um jedermann das Gefühl einzuhämmern, dass eine Menge Arbeit getan werden müsse! Um die – sagen wir: Konversation anzubahnen.»
«So glauben Sie also nicht, dass einer der vorgeschlagenen Wege zu irgendeinem Erfolg führen wird?»
«O warum nicht? Es wäre möglich.» Er kicherte vor sich hin. «Mitten in diesen Tragödien beginnt eine Komödie! So ist es doch, nicht wahr?»
«Ich verstehe Sie nicht.»
«Das menschliche Drama, Hastings! Denken Sie einen Augenblick nach. Hier haben Sie drei Menschengruppen, die durch eine gemeinsame Tragik zusammengeführt wurden, und unverzüglich zeichnet sich ein zweites Drama am Horizont ab – tout à fait à part. Erinnern Sie sich an meinen ersten Fall in England? Damals brachte ich zwei Liebende zusammen, indem ich den einen Partner wegen Mordes verhaften ließ! Anders hätten sie sich nie gefunden! Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen, Hastings… Mord ist, nach meinen Erfahrungen, ein großer Kuppler.»
«Poirot!», rief ich empört. «Ich bin überzeugt davon, dass diese Menschen mit keinem Gedanken…»
«Mein bester Freund! Und wie steht es mit Ihnen selber?»
«Mit mir?»
«Mais oui! Als Sie die Leute hinausbegleitet hatten – kamen Sie da nicht, ein Liedchen summend, ins Zimmer zurück?»
«Das kann man gedankenlos tun, ohne deswegen frivol zu sein!»
«Gewiss, gewiss, aber das Lied verriet Ihre Gedanken.»
«Was Sie nicht sagen!»
«Lieder zu summen ist meistens gefährlich. Das Unterbewusste verrät sich damit. Was Sie halblaut vor sich hin sangen, ist eine Melodie aus dem Weltkrieg.» Poirot sang in einem grauenvollen Falsett:
«Manchmal lieb ich eine Braune,
Manchmal lieb ich eine Blonde –
Die kommt aus Eden – via Schweden.
Was hätte aufschlussreicher sein können? Und ich glaube, dass die Blonde über die Braune triumphieren wird!»
«Poirot, ich bitte Sie!», fuhr ich ihn an, errötete aber heftig.
« C’est tout naturel. Haben Sie bemerkt, wie Franklin Clarke plötzlich ein Herz und eine Seele mit Mademoiselle Megan war und wie die Flamme der Zuneigung zwischen den beiden züngelte? Wie er sich vorbeugte und sie ansah? Und haben Sie gleichzeitig wahrgenommen, wie unangenehm das Mademoiselle Thora Grey auffiel? Und Donald Fraser…»
«Poirot! Sie sind doch ein unverbesserlicher Romantiker!»
«Das bin ich zuallerletzt! Sie sind der Gefühlsmensch!»
Ich wollte mich eben gegen diesen Vorwurf heftig zur Wehr setzen, als die Tür aufging.
Zu meinem fassungslosen Erstaunen trat Thora Grey ein.
«Entschuldigen Sie, dass
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